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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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wälzten durch die schimmernden Säulen des Palastes. Ihre Phantasie bewegte sich nur in Bildern der Größe, der Macht, sie sah nur sich verbeugende Höflinge, wehende Priestermäntel, goldgestickte Tapeten und smaragdüberrieselte Frauengewänder. Und dies alles! diese entzückenden Aussichten, sollten nun von einer armen, hergelaufenen Jüdin vernichtet werden? Menes wollte sich durch eine solche Ehe am Hofe unmöglich machen? Unerhört! Mit freudig leuchtenden Blicken hörte die Jüdin den Drohungen, den Verwünschungen zu, welche die Wütende gegen ihren Sohn hervorstieß, denn Rebekka dürstete danach, Rache an Menes zu nehmen, der ihre Liebe zurückgewiesen und sein Herz einer anderen dargebracht.
    Nachdem sich die Entrüstung der Dame ein wenig beruhigt, begann Rebekka ihr vorzustellen, wie leicht es sein müsse, eines Abends die beiden Liebenden zu überraschen. Man müsse zuvor genau auskundschaften, in welchem der vielen Gartentempel er Myrrah versteckt hielt; alsdann wollten beide zusammen, sobald die Nacht hereingebrochen, den Gang nach diesem Tempel wagen, um die gewünschte Aufklärung zu erhalten und die Schuldigen zu strafen. Als hierauf Rebekka unter vielen Verbeugungen gegangen war, fiel es Asso plötzlich ein, daß sich gestern der Gärtner beschwert hatte, viele seiner Ländereien seien von unvorsichtigen Füßen zertreten worden. Sie ließ den Gärtner rufen. Dieser bestätigte: am äußersten Gartenhause, da, wo der Garten an den Nilkanal stieße, also sehr weit entfernt vom Wohnhause, seien mehrere Blumenbeete völlig verwüstet. Dieses Gartenhäuschen stand auf einer kleinen Anhöhe; er habe gestern einige Wachen um diese Anhöhe gestellt, den frechen Eindringling, wenn er etwa wieder hierher seinen Weg nehmen sollte, zu fassen.
    »Nun,« frug Asso lebhaft, »er kam nicht wieder?«
    »Nein,« entgegnete der Gärtner Petefi, »aber meine Jungen wollen durch den Fensterspalt des Tempels – Licht blinken gesehen haben – und –«
    »Nun? Was stockst du? Sprich!«
    »Ich weiß nicht, ob ich es sagen soll –«
    »Ich will es, rede –«
    »Verzeiht mir, Gebieterin – es wäre vielleicht besser, ich schwiege – erlaubt, daß ich gehe – ich habe zu viel gesagt –«
    »Das ist sonst nicht deine Art, lieber Petefi – rede, rede weiter – ich bitte dich –«
    »Je nun, wenn Ihr es denn wollt – hem! seht! Die Jungen behaupten, es sei ihnen der junge Herr dort in der Nähe des Tempels begegnet.«
    »Was? Menes?«
    »Eben derselbe.«
    »Bei Nacht?«
    »Bei Nacht! Eingehüllt in einen Mantel.«
    »Wirklich? Wirklich? Und was trieb er dort?«
    »Einige behaupten,« fuhr der Gärtner geheimnisvoll fort, als er sah, wie Asso erblaßte, »einige behaupten, er sei in eben diesem Tempel verschwunden!«
    »Verschwunden?«
    »Und im Inneren des Tempels hätte man Beten und Flüstern hören können.«
    »So! so! Nun, es ist gut.«
    Der alte Diener schüttelte bedenklich den Kopf.
    »Die Anzeigen häufen sich,« sagte Asso zu sich selbst, als der Gärtner gegangen war. »Ich wollte anfangs an die abenteuerliche Geschichte nicht glauben – jetzt aber –« sie hielt inne – »nein! nein! so sehr kann er sich ja nicht vergessen! Unmöglich! Vielleicht liegt er in diesem Tempel seinen Studien ob.« Dies schien ihr nun das Wahrscheinlichste. Da das Häuschen auf einer Anhöhe lag, mochte er von dort aus die Sterne beobachten; hatten ihm doch seine priesterlichen Lehrer öfter die Gestirne von dem Dache der Villa aus erklärt. Dies stimmte auch mit dem überein, was ihr am nächsten Tage der Gärtner von neuem berichtete. Er wollte nämlich gesehen haben, wie Menes sonderbare, in Tücher eingehüllte Gegenstände hinaus in den Garten trug. Wie, wenn dies astronomische Instrumente gewesen wären? Ja! sicherlich! denn sie wußte ja, daß die Astronomie nebst ihren Schlußfolgerungen dem Uneingeweihten ein Geheimnis bleiben mußte; aus diesem Grunde hatte also ihr Sohn das Studium der Himmelskörper vor ihr verborgen. Und konnte sein feierliches Benehmen, das er auf einmal an den Tag legte, nicht seinen Grund darin finden, daß er große Wahrheiten, glückliche Vorbedeutungen am Himmel entdeckt? Daß die Sterne ihm und seinem Leben günstig standen? Am folgenden Tage frug sie Menes geradezu, wie es mit seinen astronomischen Studien stehe. Er schien erstaunt und wollte ausweichen. Sie gab ihm zu verstehen, sie wünschte seinen nächtlichen Studien wenigstens einmal beizuwohnen. Menes erschrak darüber so

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