Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Halskragens, er nimmt es dann gewiß! Nun! näher! komm! tritt dicht zu ihm!«
Wieder flüsterte sie Menes ein paar Aufforderungen ins Ohr, die diesen entrüsteten.
»Schweige mir,« sagte er ernst, »tückische Verführerin dieser Unschuldigen. Dich aber warne ich, die du dieser Wilden so willig folgst! Hüte dich vor ihren Lockungen.«
»Ei beim Apis und allen heiligen Krokodilen,« lachte die Begleiterin auf, »ich erkenne ihn jetzt erst? Er ist es! Es ist unser frommer Menes! Seht nur den sittenfesten Jüngling! Mit zwanzig Schilden hat er seine Tugend umgürtet!«
Lachend sprang sie an die Seite des Jünglings, nahm, ohne zu fragen, ihrer furchtsamen Freundin den Strauß ab und nestelte ihn an des jungen Mannes Kleidung. Dieser aber fuhr betroffen zurück, denn Rebekka, die Tänzerin, stand vor ihm. Er schleuderte unwillig die Blumen von sich; als jedoch zufällig sein erzürnter Blick auf das andere der beiden Mädchen fiel, stockte ihm das heftige Wort auf der Zunge, das er in Bereitschaft hatte. Er sah, wie das flehende, schwarze Auge Myrrahs ihn um Verzeihung bat, er sah, wie sie vorsichtig die gemißhandelten Blumen vom Erdboden aufhob, und wie sie sich dann bescheiden zum Gehen wendete. Ein gewisses Mitleid überkam ihn, er faßte das Mädchen bei der Hand.
»Dir zürne ich nicht,« sprach er mit weicher Stimme, »du scheinst sittsam und sanft, mein Zorn galt deiner Freundin.«
»Sie ist meine Freundin nicht,« fiel ihm das Mädchen hastig ins Wort.
»Nicht deine Freundin?«
»Nein, o nein.«
»Ich kann dich versichern, Jüdin, du erfreust mein Herz durch dies Bekenntnis. Aber warum gehst du mit ihr?«
»Wir wohnen in demselben Hause zusammen, Herr,« flüsterte sie, ihre ovalen, großen Augenlider niederschlagend. »Ich suche ihren Umgang nicht, sie drängt sich mir auf! Ich verkaufe Blumen an reiche Leute, Herr, da ich arm bin, wie alle Juden, und geschmäht werde, wie alle Juden. Rebekka gefällt mir gar nicht, sie will mich zu Bösem verleiten, denn dadurch, sagt sie, könne ich, wie sie es tut, viel erwerben.«
»Du aber gehst auf ihre Verlockungen nicht ein?«
»Lieber will ich verhungern,« entgegnete sie voll Abscheu, indem ein tiefes Rot ihre weiße Stirne überflutete. »Öffentlich tanzen, wie niedrig. O Herr! Doch es ziemt sich nicht, daß Ihr mit der Jüdin sprecht. Zwar es ist dunkel, man gewahrt uns nicht, doch es gibt so schlimme Menschen. Ihr bringt mich und Euch in Gefahr! Erlaubt Ihr, daß ich gehe?«
»Ich habe dir nichts zu erlauben,« sprach Menes befangen.
»So lebt wohl!«
»Darf ich dich – des Schutzes wegen, begleiten bis an dein Haus?« rief er der Gehenden nach.
»Es ist besser, ich gehe allein,« tönte es ihm aus der Dunkelheit zurück.
Sie verlor sich mit flüchtigen Schritten in den Straßen, Menes in einem eigenen Zustand träumerischen Hinbrütens zurücklassend. Noch klang ihm ihr weicher Flüsterton in der Seele nach, sein Auge suchte der Davoneilenden nachzuspähen; einige Zeit hindurch stand er regungslos auf demselben Ort. Da berührte ein warmer Hauch sein Ohr. »Nun, des frommen Jünglings Tugend fängt an, die Farbe zu verlieren,« kicherte es neben ihm. Ein rasches Umdrehen zeigte ihm Rebekkas listiges Gesicht, wie es hinter einer Mauer verschwand.
»Ich hasse dies Weib,« murmelte er vor sich hin, indem er sich zum Nachhausegehen anschickte. »Sie ist ein freches, widerwärtiges Geschöpf, und immer finde ich sie da, wo ich sie am wenigsten suche, wo sie mich am meisten belästigt. Gewiß sinnt sie mir Schlimmes, ihr Gelächter klang verräterisch.«
Im Weiterschreiten mußte er unwillkürlich wieder an Myrrah denken, wie sie so bescheiden die Augen vor ihm niederschlug und ihn fragte: »Ob sie nun gehen dürfe?« Wunderlich bestrickend klangen ihm diese Worte im Ohr. Ihr Herr zu sein, sie zum lieblichen Spielzeug zu haben, wie süß! Ein Lächeln spielte dabei um seine Lippen, das er aber sogleich mit Strenge unterdrückte. Er wollte sich auf andere Gedanken bringen, er dachte an seine Mutter, an die Stille der Nacht, an den Mond – vergeblich! das Bild der lieblichen Kleinen verfolgte ihn bis in sein geheimstes Empfinden. Wie töricht, ihn zu fragen: ob sie nun gehen dürfe? Aber sie ist eine Jüdin, ich muß sie aus meinen Gedanken verbannen, es ist nicht gut, sich mit Ebräern in Verkehr einzulassen. Wahrlich, hätte mich einer meiner Bekanntschaft mit dem Weibe plaudern sehen, mir würde Spott zuteil oder Strafe von der Mutter. So
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