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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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jetzt scheint der Sender anzufangen, alte Folgen der Serie zu wiederholen. Nera hat im Augenblick weder Lust, alte Walpar-Abenteuer zu sehen, noch Lang X zu begegnen. Am liebsten würde sie ihr Leben für eine gewisse Weile abschalten, und zwar bis sie sich wieder dazu in der Lage fühlt, es zu genießen.
Dann aber siegt das Gemenge aus Langeweile und Neugier, das ihr schon mehr als einmal den Tag verdorben hat. Nera legt die Tasche auf den Tisch und beschreibt mit dem Zeigefinger einen Kreis auf der Außenseite. Die entpuppt sich daraufhin als Display und zeigt Walpars Gesicht in Großaufnahme. Sein Lächeln wirkt ein wenig gezwungen. Inzwischen haben die Pillen Neras Müsli an drei Stellen bläulich verfärbt. Ungefähr in dem Moment wird ihr klar, dass es sich nicht um die Detektiv-Soap handelt, sondern um eine Wiederholung auf einem Gerichtsshow-Sender. Die Sendung endet etwas später mit dem Abtransport des Detektivs und mit einem pathetischen Voice-over, das erklärt, dass die Gerechtigkeit mal wieder obsiegt habe und eine Rechtsschutzversicherung von WeWin© gar nicht so teuer ist, wie man üblicherweise glaubt.

»Wenn dir langweilig ist, hätte ich einen Vorschlag«, sagt Jankadar.
Walpar schüttelt verdrossen den Kopf und fährt damit fort, in einem der gewaltigen Ledersessel von einer Pobacke auf die andere zu rutschen.
»Wir können mit der KI deines Pinguins über gewisse Aspekte des Neo-Freudianismus philosophieren. Du würdest dich wundern, was für ungewöhnliche Ansichten KIs in dieser Hinsicht vertreten. Ein Mensch käme nie auf so was.«
»Kann ich mir vorstellen«, versetzt Walpar lustlos.
Jankadar schnippt mit den Fingern. »Weißt du, was auch spannend ist?«
»Die Bücher im Regal hinter mir? Zuscheks Schnarchrhythmus?« Walpar zeigt unzufrieden nach hinten. Er vermisst Zuscheks Verdammnis-Zwischenrufe. Im Gegensatz zu seinem Schnarchen kann man die leichter ignorieren.
»Rollenspiele.«
»Rol…« Walpar sieht ein oranges Blinklicht vor seinem geistigen Auge.
Hauptsächlich, weil er vor Jahren schon selbst auf diese Tour versucht hat, attraktive Kerle zu verführen.
»Fantasy-Rollenspiele genaugenommen. Es ist geradezu faszinierend, was für Abenteuer sich so eine einfache KI ausdenken kann.«
»Eine KI als Meister?«
»Richtig«, nickt Jankadar begeistert. »Sie kann in beliebig viele Rollen von unterschiedlichen Nichtspielercharakteren schlüpfen, Spielsituationen mit dramatischem Sound unterlegen und verliert nie den Überblick.«
Walpar würde das unter anderen Umständen gerne ausprobieren, allerdings möchte er sich im Moment lieber den Kopf darüber zerbrechen, wie er hier wieder rauskommt.
»Ich würde einen Zauberer spielen«, tönt Jankadar und hebt die Arme, als wolle er ein paar Monster heraufbeschwören. »Einen mächtigen, zwiespältigen Zauberer, dessen Eingeweide zu jucken anfangen, wenn er sich rechtschaffen guten Klerikerinnen in weißen Roben nähert. Er hustet dann magischen Schleim, aus dem nachts fürchterliche Gallertmonster werden. Was würdest du für eine Figur spielen?«
Walpar muss nicht lange überlegen. »Eine Klerikerin mit einer weißen Robe, deren Langschwert scharf genug ist, um Gallertmonster in wabbelige Scheiben zu schneiden.«
Jankadar klatscht in die Hände. »Das wird ein Spaß!«
»Wie man's nimmt. Höhlen müsstest du alleine erforschen, damit meine Robe nicht schmutzig wird.«
»Dann behalte ich auch die vielen Schätze für mich, die ich finden werde.«
»Was ist das für ein Lärm?«
»Das ist Zuschek. Er trampelt manchmal im Schlaf, weil er träumt, vor Anwälten zu fliehen.«
Walpar schüttelt den Kopf. »Das kommt von der Tür.«
Das hat auch Jankadar gerade kapiert. Er dreht sich gerade im richtigen Moment um, als die Tür auffliegt. Herein donnert eine Horde Sportler in blau-weißen Trainingsanzügen, darunter einige, die Anweisungen brüllen.
Die Männer verteilen sich im Raum, verschieben die Sessel, Regale, alles Inventar. Schon fliegen Jankadar und Walpar Bälle um die Ohren. Irgendwo purzeln Bücher schwer getroffen zu Boden, rechts hinten grätscht ein Kerl mit neongelbem Leibchen einem Kameraden in die Schienbeine, dass Walpar den Schmerz selbst zu spüren glaubt. Ein muskulöser Spieler mit einer leuchtenden 10 auf dem Rücken legt sich den Ball zurecht, während zwei Helfer eine Mauer aus umgekippten Regalen aufbauen. Der Zehner nimmt zwei Schritte Anlauf, die Helfer springen aus der Schussbahn, der Ball durchschlägt den Regalrücken

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