Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
das soziale Umfeld entscheidend dafür ist, ob ein Tourist Stufe eins oder Stufe zwei wählt.«
»Sie meinen, ob es zu Hause jemanden gibt, der sich die Fotos ansieht?«
»Zum Beispiel.«
»Sie sprachen aber vorhin von Stufe drei?«
Angewidert verzieht der Pilger den Mund. »Physikalische Beweisstücke.
Fotos kann man fälschen. Es gibt im Internet unzählige Dienste, die das kostenlos bewerkstelligen. Aber: Etwa ein Viertel aller Meereskorallen der Erde befindet sich in Wohnzimmerregalen.«
»Fleisch«, flüstert Walpar fast andächtig.
»Vom Leib Gottes«, haucht das Männchen und bekreuzigt sich.
»Man stelle sich vor«, phantasiert Walpar, »der Rest des Leibes würde gefunden werden. Es gäbe eine Gottesbeweis-Hysterie.«
»Nicht auszudenken«, entfährt es dem Pilger. »Ein so großes Objekt könnte nur durch ein massives Aufgebot von Streitkräften beschützt werden.«
»Und wenn nicht?«
»Die Stufe drei des Touristen-Beweistriebs wird in der Fachliteratur Piranha genannt.«
In diesem Moment fliegt der Busfahrer Version 8.1 unangekündigt eine enge Kurve, die Stehplätze werden ordentlich durcheinandergewirbelt. Als Walpar seinen Gesprächspartner das nächste Mal sieht, klemmt er kopfüber zwischen den letzten beiden Reihen.
Während Walpar Lang X dabei zusieht, wie er in seinem grauen Anzug einfach nur umwerfend aussieht, werden ihm zwei Dinge klar. Erstens hofft er, dass der Asiate schwul ist. Und zweitens muss er den Leib Gottes finden, bevor es die Touristen tun.
Henriettes Mutter ist angepisst, um es vorsichtig auszudrücken. Ihrer Meinung nach sind alle Männer verräterische Schweine, bis auf jene, die einem ein Kind machen und dann so tun, als wäre das nicht ihre Idee gewesen –
für solche Exemplare hat sie noch keine wirklich angemessene Bezeichnung gefunden, obwohl sie schon ziemlich viele ausprobiert hat.
Auf Io hat sie in acht Casinos den Mindesteinsatz verloren, digitale Croupiers und Barkeeper ausgefragt, bis ihr aufgegangen ist, dass sogar Männer, die nicht einmal voll ausgewachsen sind, schon zu allerlei Unverschämtheiten imstande sind, vermutlich, weil sie einfach nicht genug Pillen nehmen.
Gerade stürmt Henriettes Mutter über den Flur vor Walpar Tonnraffirs Apartment Nummer 234, in der einen Hand eine Plastiktüte mit zollfrei eingekauften Damendüften und der berühmten Io-Vulkanseife, in der anderen Hand eine geladene und entsicherte Krawtov 0,9.
Mit ein-, zweimal Bamm ! öffnet sie die Wohnungstür, springt in den Korridor, der leer ist. Dann ins Wohnzimmer, das ebenfalls leer ist.
Auf dem Tisch steht ein Glas mit einem klebrigen Rest Getränks, aufgrund der Farbe mutmaßlich Quatlingsaft.
»Henriette?«
Zwei große Schritte, sie tritt die Tür zum Bad auf, dann die zum Schlafzimmer. Das Bett ist ordentlich gemacht und verwaist. Henriettes Mutter kann sich gerade noch zusammenreißen und verkneift es sich, die Matratze in ein Sieb zu verwandeln.
Der Junge, dessen Onkel auf ihrer Sterbeliste steht, hat sie nicht nur eiskalt getäuscht und auf eine falsche Fährte geschickt. Er hat auch noch ihre Tochter entführt. Dergleichen hat bisher nur einer gewagt, nämlich Henriettes Erzeuger. Und der wird dergleichen nie wieder tun.
Henriettes Mutter hat es nicht leicht als alleinerziehende Auftragsmörderin. Aber verdammt, sie liebt ihre Arbeit, und sie wird auch diesen Job erledigen. Sie wird Walpar Tonnraffir das Licht auspusten, und seinem vorwitzigen Neffen am besten gleich mit.
Sie ärgert sich bloß ein bisschen darüber, dass ihr einfach nicht mehr einfallen will, wer ihr diesen vermaledeiten Auftrag ursprünglich erteilt hat.
14 Dantes Imbiss-Klo, Weltraum
Der Charterbus steht kurz vor einer Meuterei. Diverse Pilger haben sich nun doch die Stiefel ausgezogen, andere haben mit der Missionierung der anderen Reisenden begonnen. Auf den hinteren Plätzen scheint eine Schlägerei stattzufinden, allerdings versperren mehrere Pilger die Sicht, sodass Walpar nicht erkennen kann, was genau da passiert. Falls sich der Schauplatz der Auseinandersetzung nähert, muss Lang X vielleicht seine Martial Arts anwenden, auf die Walpar sich die ganze Zeit freut.
»Verehrte Reisende«, verkündet der Busfahrer Version 8.1, »aufgrund der Lage an Bord hat sich eine Notfallfunktion aktiviert, die dafür sorgt, dass wir umgehend die nächstgelegene Weltraum-Raststätte aufsuchen. Dort können sich die unerwünschten Passagiere eine andere Beförderungsmöglichkeit suchen. Wir bitten um Ihr
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