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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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Melonen im BH.
Plötzlich stehen zwei Sektenjünger in grünen Kutten im Weg, die ein bisschen an Laurel und Hardy erinnern, was ihren Körperbau angeht.
»Pünktliche Ankunft«, sagt Lang X und tippt sich auf die Armbanduhr.
Die Jünger erwidern den Gruß ohne Begeisterung.
»Wir gekommen für Pünktlichkeitsritual.«
»Das ist kostenpflichtig«, sagt der Jünger Laurel und grinst.
»Sehr kostenpflichtig«, betont Jünger Hardy.
X wischt die Einwände beiseite. »Kosten keine Rolle spielen, alles Spesen.«
Nera klappt den Mund auf, aber die Jünger nicken zufrieden. »So folgt uns, im Namen des Großen Fahrplans.«
»Ich doch sehr hoffe, Große Priester höchstpersönlich Ritual durchführt?«, plaudert Lang X, während Nera beobachtet, dass die Jünger unter den grünen Kutten farblich passende Socken und Sandalen tragen.
Sie folgen den Männern in einen großen Saal, der mit Bannern und Wimpeln reich geschmückt ist. Auf ordentlich aufgereihten Holzbänken sitzen Dutzende Jünger im Gebet vertieft, viele von ihnen mit dicken Büchern auf dem Schoß.
Vorn steht ein Altar, über dem eine große Uhr hängt, Zifferblatt weiß, Zeiger schwarz. Darunter stützt sich Gern den Wool, der Hohepriester, auf seinen zeremoniellen Stab. Er ist in ein Gespräch mit einem Mann vertieft, den grauer Anzug und Köfferchen als Versicherungsmakler oder Steuerberater identifizieren.
Die beiden Jünger bleiben in gebührendem Abstand stehen. »Es sind noch alle Gleise belegt«, flüstert der dünnere.
»Das fahrplanmäßige Verzögerung, nehme ich an«, sagt Lang X spitz.
»Sie sprechen zwar komisch«, sagt der Jünger, »aber Sie kennen sich gut aus.«
»Ich immer lege Wert darauf, gut informiert zu sein.«
»Sagen Sie«, zupft Nera den Oliver-Hardy-Ersatz an der Kutte, »wie kommt es eigentlich, dass man bis zum Auftauchen des Fingers nichts von Ihrer Sekte gehört hat?«
Der dicke Jünger dreht sich zu ihr um. »Wir sind hervorgegangen aus einem Fahrgastverband namens Pro Bahn. Es gab eine düstere Vorzeit, in der unsere Brüder und Schwestern für die Pünktlichkeit ihrer Züge gebetet haben. Das war, bevor sie dazu in der Lage waren, den Großen Fahrplan zu lesen.«
»Aha, und was genau ist der Große Fahrplan?«
Hardy zeigt auf den Altar. Jetzt sieht Nera es auch: ein riesiges, in dickes Leder gebundenes Buch, das aufgeschlagen auf dem Altar liegt. »Ich habe das für eine Bibel gehalten«, gibt sie leise zu.
»Oh nein«, schüttelt der Jünger heftig den Kopf, sodass sein Doppelkinn vibriert, »die Bibel ist viel ungenauer. Man muss sie erst auslegen, und selbst das führt meistens zu völlig gegensätzlichen Aussagen.«
»Und in diesem …Fahrplan steht alles ganz genau? Ich meine … alles ?«
»Oh ja«, nickt der Jünger.
»Aber wie passt das alles in ein Buch?«
»Es ist sehr dicht mit äußerst kleinen Zeichen bedruckt, außerdem werden zahlreiche Abkürzungen verwendet«, erklärt der Jünger. »Übrigens haben Sie hübsche Ohren.« Er entblößt gerade, weiße Zähne.
»Sie auch«, gibt Nera zurück, woraufhin Hardy irritiert seine Hörorgane betastet.
Lang X streicht sich mit der Hand über die Nasenspitze. »Ich gerne in diesem Buch lesen würde.«
»Oh nein«, wehrt der andere Kuttenträger ab, »das ist nur dem Hohepriester erlaubt. Nur er besitzt die Weisheit und Geisteskraft, um seine Kräfte zugunsten unserer Bewegung zu nutzen. Wir Jünger müssen zunächst die Sprache der vorzeitlichen Kursbücher erlernen, bevor wir den Großen Fahrplan studieren und begreifen können.«
»Pssst«, macht Jünger Hardy. »Es ist gleich soweit.
In der Tat packt der Anzugträger gerade einige Papiere in sein Köfferchen und verabschiedet sich mit einem Händedruck vom Hohepriester. Der schickt noch eine segensreiche Geste hinterher, dann marschiert der Besucher davon. Als er an Nera vorbeikommt, meint sie ein geflüstertes »so ein Hurensohn« zu hören.
Die Kuttenträger setzen sich in Bewegung, Nera und X folgen.
»Oh Weiser des Großen Fahrplans«, salbadert der dicke Jünger mit gefalteten Händen, »hier sind zwei zahlungswillige Reisende, die eine Information aus dem Großen Fahrplan wünschen.«
Gern den Wool macht eine väterliche Geste. »Willkommen, willkommen.
Ich bin bereit, eure Frage zu hören.«
X ergreift das Wort. »Oh großer Fahrplanleser, wir wünschen zu erfahren den Aufenthaltsort …«
Den Wool wackelt mit dem Zeigefinger. »Der Große Fahrplan berichtet nur über Ankunft und Abfahrt.« Lächelnd umklammert
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