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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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Tresen. Als Walpar sich nähert, nimmt der Kerl trotzdem nicht die Stiefel vom Schreibtisch, stattdessen zieht er intensiv an der obligatorischen Zigarre.
»Hab ich genau gehört«, behauptet Walpar. »Ich brauche einen Job.«
»Es gibt im Moment keinen, stell dich hinten wieder an«, brummelt der Cowboy und pustet Walpar eine Qualmwolke entgegen.
»Sie haben mich nicht einmal nach meinen Fähigkeiten gefragt.«
»Bist du ne süße Tussi mit dicken Titten?«
»Nein«, muss Walpar zugeben.
»Nen muskulöser Stecher auf Steroid, der gerne vor laufender Kamera süße Tussis bumst?«
»Äh, auch nicht.«
»Oder ein Knastbruder, der Baseballschläger bei Stalkern anwendet, die süße Tussis und geile Stecher nerven?«
Mutlos betrachtet Walpar seine früher mal gut trainierten Oberarme.
»Oder biste nen abgefuckter Kreativer, der sich 20 Stunden täglich megacoole Kampagnen für Erwachsenenunterhaltung ausdenkt, die dann vom Agenturchef durch den Kakao gezogen werden?«
»Leider nein.«
»Tja«, meint der Cowboy geringschätzig, »dann hätte ich nur noch eine Stelle als knackige Hostess auf einem Stand von AAA Best Gay Movies Inc.
auf der Medienmesse, die morgen startet.«
Walpar will schon den Kopf schütteln und zu seinen Fidels zurückkehren, dann hält er inne. Er zieht seinen Pferdeschwanz fest, baut sich breitbeinig vor dem Schreibtisch auf und jodelt: »Was meinste, weshalb ich hier bin, du knackarschiger Prachtkerl? Jetzt mach hin, ich hab einen Job zu erledigen!«

Als Walpar mit seinem digital unterschriebenen Ausbeutungsnachweis winkend ins Büro nebenan tritt, entlockt er der ganzen Warteschlange ein neidisches Stöhnen. Bevor jemand auf die Idee kommt, ihm das Dokument mit Gewalt abzunehmen, macht Walpar, dass er in den Container kommt.
Eine verschrumpelte Tante, der man anscheinend das Silikon abgezapft hat, thront jenseits eines vergitterten Fensterchens und ist die Herrin über das stählerne Tor, hinter dem die Freiheit Südkaliforniens wartet.
»Ausbeutungsvermittlung is andere Tür«, nuschelt die Tante knapp.
Walpar schiebt sein Dokument durch die Öffnung. Der Schrumpeltante klappt die Kinnlade runter, dann nimmt sie die Papiere entgegen und setzt sich eine goldene Brille auf die Nasenspitze. Kopfschüttelnd hält sie die digitale Signatur vor den Scanner. »Es ist echt«, haucht sie, als hätte sie nie zuvor etwas Derartiges gesehen. Dann gafft sie Walpar über ihre Brille hinweg an. »Ein Job als schwule Hostess?«
Walpar verschränkt die Arme vor der Brust. »Was dagegen?«
Die Züge der Tante verhärten sich, soweit es ihre Falten zulassen. »Ist ja Ihre Sache.« Energisch donnert sie einen Stempel auf Walpars Dokument, zupft einen Durchschlag heraus und lässt ihn unter ihrem Schreibtisch verschwinden. Dann dreht sie einen Schlüssel an einem Plastik-Bedienpult und drückt eine rote Taste direkt daneben. Ein metallisches Summen ertönt, das Schloss schnappt auf.
»Hasta la vista, Baby«, sagt Walpar und tritt durch die quietschende Tür hinein ins reichste Land der Welt.

16 Tempel der pünktlichen Ankunft, Erde
     
    Nera und Lang X überqueren vor einem Schnellrestaurant die breite Straße und stehen vor dem Tempel der pünktlichen Ankunft. Diverse Banner verleihen dem ehemaligen Möbelhaus ein spirituelles Flair, ein Spruchband verkündet großbuchstabig: »WIR WUSSTEN ES.«
»Schleichen wir uns rein?«, fragt Nera unschlüssig.
Lang X sieht sich nach allen Seiten um. Sie sind derzeit die einzigen Menschen auf der Straße und unübersehbar für jeden Sektenjünger, der zufälligerweise gerade aus dem Fenster guckt. »Nein«, schüttelt der Asiate den Kopf, »wir nehmen Rolltreppe.«
»Und dann?« Nera setzt sich in Bewegung.
»Dann wir lassen durchführen Pünktlichkeitsritual.«
»Muss das sein?«
»Ritual dient dazu, Weltlinie von bestimmte Person zu ermitteln.« Inzwischen stehen die beiden auf der Rolltreppe, die sie sanft ins erste Stockwerk trägt. In einer von hier aus sichtbaren Nische klebt noch ein bestimmt hundert Jahre altes Werbeplakat »Sonntag große Küchenschau, ohne Beratung und Verkauf«.
Eine melonenbusige Blondine ziert die klobigen Buchstaben. Ein sonderbarer Marketing-Schachzug, schließlich sollen keine Autoteile vorgeführt werden.
Das Plakat lenkt Nera ab, außerdem hat sie keine Ahnung, was eine Weltlinie ist. Na ja, immerhin verrät ihr die große, spiegelnde Wand am oberen Ende der Rolltreppe, dass sie ziemlich cool aussieht in ihrem schwarzen Fummel, auch ohne zwei
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