Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
Vom Netzwerk:
denn?« – » www.peinlichemuetter.de . Da kann man sich über seine Mutter beschweren.« – »Wieso, deine Mutter ist doch gar nicht peinlich.« – »Ich finde sie supersuperpeinlich. Jetzt kotzt sie auch noch!«
    In dem Moment treten Frau Menzinger, Frau Köhnke und Frau Schweickert ans Feuer, und die Menzinger trötet: »Regen auf Walpurgisnacht hat nie ein gutes Jahr gebracht. Aber zum Glück ist’s ja trocken. Setzt euch, meine Lieben. Und guten Abend, die Damen.«

23.03 Uhr
Helga bekommt im Mauerpark von Hosch ihren Vor- und von Viola Karstädt ihren Nachnamen zurück
    »Hey, was machst du denn hier? Du bist doch die Wirtin aus der Grüntaler Straße.« – »Bist du dir sicher?« – »Du etwa nicht?« – »Ich weiß nichts mehr, alles ausgelöscht. Alex sagt, ich hätte eine retrograde Amnesie.« – »Wer ist Alex?« – »So ’n Obdachloser, der mich heute Nacht aufgelesen hat.« – »Woher will ein Obdachloser wissen, welche Art von Amnesie du hast?« – »Der weiß alles.« – »Willst du nicht lieber zum Arzt gehen, um das abklären zu lassen? « – »Du siehst auch aus wie einer, der aus dem Krankenhaus geflohen ist.« – »Ich hab’s da nicht ausgehalten, außerdem muss ich Geld verdienen. Weißt du wirklich nicht mehr, was gestern passiert ist?« – »Ich weiß nicht mal mehr meinen Namen, ich weiß nicht, wo ich wohne, geschweige denn, ob ich so was wie Familie habe.« – »Das geht ja auch Leuten ohne Amnesie so. Man nennt das Trunkenheit oder Drogensucht.« – »Ach, geh weg, du machst dich lustig.« – »Entschuldigung, vielleicht kann ich dir helfen.« – »Wobei denn? Ich kann mich jedenfalls nicht an dich erinnern. Oder war mal was zwischen uns?« – »Nein, nicht dass ich wüsste. Erst mal: Du heißt Ilona, das hast du mir jedenfalls heute Nacht in der Kneipe erzählt.« – »Ilona, aha, wäre ich nicht drauf gekommen. Alex und seine Kumpel nennen mich Helga. Das fühlt sich irgendwie vertrauter an. Weißt du auch meinen Nachnamen?« – »Den hast du mir leider nicht verraten. Oder ich hab ihn vergessen. Du arbeitest da hinter dem Tresen. Deine Hände müssten sehr weich sein, vielleicht sogar vom Wasser aufgequollen, denn du spülst jede Menge Gläser. Ich glaube aber, du machst das noch nicht lange. Beim vorletzten Mal hast du einem Gast erzählt, dass du dich von jemandem getrennt hast und in
den Wedding gezogen bist. Von sonstiger Familie weiß ich nichts. Auch Kinder hast du nie erwähnt.« – »Wedding also. Alex hat auf Westen getippt, wegen meinem Durchsteckschlüssel.« – »Die Kneipe ist heute Morgen so gegen zwei überfallen worden, falls du das auch vergessen hast.« – »Jede Erinnerung ist ausgelöscht. Ich fühle mich eigenartig leicht, und zugleich belastet es mich, weil ich einerseits wissen will, wer ich bin, und andererseits Angst davor habe.« – »Ich habe dich schreien hören, sehen konnte ich nichts, weil ich mich auf die Toilette geflüchtet hatte. Eigenartig. Siehst du die beiden Mädchen da hinten in der zweiten Reihe, auf der anderen Seite des Feuers? Die habe ich durchs Toilettenfenster auf dem Hof gesehen. Zusammen mit einer Dritten.« – »Jetzt, wo du es sagst. Mein Gehirn ist der Meinung, das sind Nervensägen, aber woher kenne ich die?« – »Siehst du, die haben uns bemerkt, und jetzt türmen sie.« – »Interessant. So langsam kommt nur meine Kindheit wieder, Boxhagener Platz, Kneipe Feuermelder. Da war ich oft als Kind. Aber warum? Oder ist es nur eine Täuschung? Man könnte mir alles erzählen, und ich müsste es glauben. Und du? Siehst auch etwas blessiert aus. Das Blut suppt durch.« – »Hab ’n Schlag abgekriegt. Einer der Typen ist verhaftet worden, die anderen konnten fliehen.« – »Alex hat mir erzählt, dass ein Auto am Fernsehturm gehalten hat und mich zwei Typen im Gebüsch abgelegt haben. Der Rucksack war so gut wie leer. Keine Papiere.« – »Was wollten die denn mit deinen Papieren?« – »Vielleicht an Illegale verkaufen, sagt Alex.« Ilona schaut verstohlen ihre Hände an, die weich sind und ein wenig verquollen. »Ilona?« Die beiden Frauen von heute Nachmittag aus dem Friedrichshain stehen neben ihr. »Woher kennt ihr denn meinen Namen?« – »Wir waren Kommilitoninnen an der Humboldt-Universität, Philosophie. Das heißt, Heike hier hat Sonderschulpädagogik studiert, war aber auch bei den Ästhetikvorlesungen von Heise. Kannst du dich erinnern? >Als Johann Gottfried Herder, am 2. Oktober 1776 in Weimar

Weitere Kostenlose Bücher