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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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Anekdote über eine Aprilnacht sein, im Jahr 2002. Du hast den ganzen Abend zwischen lauter Schwulen über feuchte Mösen philosophiert und bist immer lauter geworden, bis dir ein fetter Ledermann mit Schwanztätowierung am Arm Schläge angedroht hat. Weißt du noch?« – »Ihr wollt mich wohl verarschen?« Der Ledermann packt Micha am Schlafittchen und zieht ihn mit einem Griff in die Höhe. »Freundchen, wir sind ein Schwu-len-la-den, schaut euch mal um, lauter knackige Jungs und obendrüber ’ne eins-a-schallisolierte Pension. Schon die Erwähnung von Mösen fällt unters Standgericht. Wir können nach oben gehen, wenn ihr spitz seid. Erst der eene, dann der andre.«
    Hosch fragt sich, warum sie sich ausgerechnet hier verabreden mussten. Nur weil Micha meinte, in einer Schwulenbar würden sie auf keine von Heikes neugierigen Freundinnen treffen.
    Micha sackt auf dem Fußboden zusammen. Hosch zieht ihn hoch und schaut dem Ledermann direkt ins Gesicht. » Kennst du die Geschichte von dem Radiomoderator, der irgendwann die blöden Spiele mit den Hörern nicht mehr ertragen konnte, die sich für einen Kasten Scheißmineralwasser oder Freikarten für Ladenhüterveranstaltungen komplett zum Affen machten? Nee, weißt du nicht? Er fing an, ihnen die Lösungen vorzusagen, das erste Mal aus Versehen, das zweite Mal mit Vorsatz, dann immer und immer wieder, bis sie ihn rausschmeißen mussten.« – »O. k., ihr habt es so gewollt.« Der Ledermann haut ihm die Faust ins Gesicht. »Setz sie doch einfach vor die Tür, ich kann hier keinen Ärger gebrauchen«, ruft der Barmann dem Ledermann zu und wischt mit einem Lappen um eine Vase mit weißen Gladiolen herum, die auf dem Tresen steht. » Wird nur ein zarter Denkzettel. « Er packt Hosch und Micha am Kragen, einer der Boys öffnet die Tür, und eh sie sich’s versehen, sind sie an der Luft.

    »Der Wein hat einen guten Abgang«, ruft Micha, »wir werden Ihren Laden wärmstens weiterempfehlen.« – »Det Wort warm is ooch verboten, hatt ick vajessen zu erwähnen.« Der Ledermann lacht aus vollem Halse. Ein Bass, in den die Countertenorstimmen der kleinen Teufelchen auf den Barhockern einfallen, bis er die Tür schließt und Hosch und Micha ihre Knochen von der Straße aufsammeln. Hosch tastet seinen Mund ab, der an der rechten Seite anfängt zuzuschwellen. Die Zunge wischt an den Zähnen entlang. Die Spucke schmeckt metallisch, aber die Zähne sind noch vollzählig. Die Tür geht noch einmal auf, und zwei Jacken fliegen in hohem Bogen auf die Straße. Hoschs Handy rutscht über den Bürgersteig bis zum Bordstein. Hosch bekommt es noch zu fassen, bevor es in den Gully fällt. Er schaut, noch halb im Liegen, auf das Display. »Sie haben Post«, ruft er erfreut und klickt hektisch ein paar Tasten.
    »Ich habe Schwule immer für toleranter gehalten«, sagt Micha und klopft sich den Schmutz von seiner Hose. » Was hat sie denn geschrieben?« – »du musst meinen kirschkern finden, dann wird alles gut. schlag du vor, wo wir uns um 20 uhr treffen.« – »Wie poetisch. Kirschkern finden.« – »Ich glaube ja, Frauen, die sich so was trauen, sind auf der Suche nach dem absoluten Orgasmus. Den musst du ihnen bieten, sonst wird das nichts«, sagt Micha und schließt das Schloss seines Fahrrads auf, »für uns Männer ist der Orgasmus eine Notwendigkeit – für die Fortpflanzung. Ohne Orgasmus keine Ejakulation, ergo keine Befruchtung. Frauen können hingegen, auch ohne geil zu sein, schwanger werden.« – »Hast du das, als du noch Biologielehrer warst, deinen Schülerinnen erzählt?« Hoschs Fahrradschloss klemmt, er tritt mehrmals dagegen. » Von Jahr zu Jahr wurden es mehr, denen ich aus religiösen Gründen gar nichts erklären durfte. Ein Trauerspiel, einmal hätte ich mich fast mit so einem Patriarchen geschlagen, aber egal, ist vorbei.« Micha drückt den Schalter seines Dynamos und bewegt das Vorderrad, bis die Lampe aufflackert. Hosch hat nun endlich auch sein Fahrrad von der Laterne befreit. »Sogar den multiplen Orgasmus hat die Natur ihnen geschenkt, daraufbin ich scheißneidisch«, sagt Micha. »Allerdings
weiß ich nicht, wie oft mir eine Frau einen Orgasmus vorgespielt hat. Manche können sogar das Muskelzittern vortäuschen. Aber Mimi war völlig weg, eine rollige Katze. Ich glaube, sie hat sogar einen leichten Schnurrbart. Ich konnte es aber nicht genau erkennen, obwohl ich zwischendurch aufgestanden bin, um den Vorhang einen Spalt zu öffnen. Ich wollte wissen,

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