Walpurgistag
und blinzelte in meine Richtung. Einen Moment lang dachte ich, jetzt ist der Zauber vorbei, aber dann sagte sie: >Komm, reib deine Eier an meinem Hintern<, und zog sich wieder die Decke über den Kopf. Ich krabbelte unter die Decke und suchte nach der Wärme eines Körpers, den ich noch nicht kannte. Ich strich ihr sehr langsam über den Rücken bis zur Ritze. Hatte vergessen, meinen Ehering abzuziehen, das merkte ich, als ich meine Finger in ihre Spalte grub und mit dem Ring anstieß, aber jetzt konnte ich nicht mehr zurück, es wäre wahrscheinlich unheimlich abtörnend gewesen, wenn ich mir jetzt den Ring vom Finger gezogen hätte.« Beide starren einen kurzen Moment lang auf ihre Eheringe, über denen sich ein leichtes Fingerfettpolster wölbt. Hosch beobachtet aus dem Augenwinkel, dass sich der tätowierte Ledermann langsam an der Theke entlang auf sie zubewegt. Er schwankt leicht und berührt im Vorbeigehen die schmalen Ärsche der Jungen, die auf den Barhockern sitzen. Fast wird der Ledermann Hosch sympathisch, eine Welt voller gebräunter Rasierwasserreklame-Klone wär auch nichts, denkt er, während Micha weiterredet. »Ich fühlte mich sofort wohl in dieser warmen feuchten Mulde.«
Michas Geschichte erregt Hosch nur mäßig. Er braucht eigentlich nur ein paar Tipps, bevor er sich morgen Abend mit dieser unbekannten Frau zum Vögeln trifft. Ina. Keine Ahnung, ob sie wirklich so heißt. Eigentlich ist es gar keine so schlechte Idee, wie Micha der Frau die Initiative zu überlassen. Hosch weiß ja noch nicht einmal, in welches Hotel er mit ihr gehen soll. Vielleicht nimmt er sie auch mit zu sich nach Hause. Anna würde nicht plötzlich im Flur stehen. Im Moment arbeitet sie als Sonderkorrespondentin in Afghanistan, während er in Berlin Taxi fährt. Anna ist noch nie unangemeldet zurückgekommen. Hosch könnte sich auch so was wie Sex im Fahrstuhl oder in einer öffentlichen Grünanlage vorstellen. Etwas, das seine Frau nie mitmachen würde. Und wenn er den SMS glauben kann,
dann sucht die Frau, die sich Ina nennt, auch einen Kick, den sie sonst nicht bekommt.
»Vorsicht«, sagt Hosch, »er kommt zurück.« – »Sie stöhnte leise, aber sie drehte sich nicht um.« Michael flüstert jetzt. »Ich küsste sie an die Stelle hinterm Ohr, die sie sich gewünscht hatte. Durch ihren Körper ging so etwas wie ein Schauer, so ein ganz heftiges Zittern, was ich sonst nur von Orgasmen kannte. Ich wollte sofort in sie eindringen, aber ich musste, darauf bestand sie, noch mal auf den Nachttisch langen. Sie hatte das Kondom schon ausgepackt. « – » Was wispert ihr Heten da?« Der Ledermann hat sich schon wieder vor ihnen aufgebaut. »Besser jedenfalls als die Rentenscheiße, ungeklärte Jahre zwischen 1985 und 1999, da vergeht mir gleich alles«, sagt Hosch etwas zu laut, den Höllenengel scheinbar nicht weiter beachtend, »’85 war ich Punk und Hausbesetzer, und die wollen wissen, was ich zu der Zeit gemacht habe. No Future hab ich gemacht.« – »Ich habe seit meinem achtzehnten Lebensjahr eine Lebensversicherung. Die kann ich mir auszahlen lassen, wenn ich sechzig bin.« Micha grinst, als hätte er einen guten Witz gemacht, aber Hosch weiß, dass es die Wahrheit ist. »Sag jetzt nicht, die Versicherung hattest du schon, als wir die Cuvry besetzt haben?« – »Haben meine Eltern für mich abgeschlossen, und ich habe sie nach dem Staatsexamen übernommen.«
Richtig entsetzt kann Hosch darüber nicht sein. Die meisten seiner damaligen Hausbesetzerkumpel kamen aus Mittel- oder Oberschichthäusern Westdeutschlands. Wenn sie nach den Plena besoffen waren, prahlten sie manchmal, wie viel sie später erben würden. Am Tag darauf hatten sie das wieder vergessen. So einer wie er, dessen Vater jeden Tag zur Schicht in die Kindl-Brauerei nach Neukölln fuhr und der in der vierten Generation in Kreuzberg lebte, war ein Exot unter den Hausbesetzern. Eigentlich eine Herkunft, die man lieber für sich behielt.
»Scheiße, ich hab noch nicht einen Cent eingezahlt in diese ominöse Rentenkasse. Ich krieg, wenn Anna sich nicht von mir scheiden lässt und vor mir stirbt, Witwerrente. « – » Wenn alles
schiefgeht«, sagt Michael, »dann musst du, wenn du alt bist, eben noch mal Häuser besetzen. Ist dann aber wahrscheinlich ein Hochhaus in einer Plattenbausiedlung am Rand der Stadt.« – »Vielen Dank«, sagt Hosch, »wenn ich Hunger habe, komme ich zu dir, und wir reden über alte Zeiten. Eine der liebsten wird uns die
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