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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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raus.« Alex seufzt. »Euch kann man wirklich keinen Wunsch abschlagen. « Er öffnet seinen Rucksack und holt Sugar ans Licht. Sie schüttelt sich, als wäre sie zu abrupt aus dem Tiefschlaf erwacht. »Geht doch«, sagt Candy, »unsere Wege trennen sich an dieser Stelle. War schön mit dir, danke für die Hilfe, aber es ist spät, wir müssen morgen zur Schule. Wenn wir gefragt werden, werden wir sagen, wir haben einem Obdachlosen geholfen, da sind die
Schläge nicht ganz so hart, stimmt’s, Sugar und Cakes?« Die beiden nicken und starren auf den Fußweg, wo ein riesiger Haufen Hundekacke liegt.
    »Und, was habt ihr morgen vor?« Alex hebt den linken Handteller in Richtung Himmel, um zu prüfen, ob er wirklich einen Tropfen auf der Haut gespürt hat oder ob er sich den beginnenden Regen nur einbildet. Der Handteller bleibt trocken, und er schaut Candy an, deren Make-up verschmiert ist. – »Weiß nicht«, sagt Candy, »vielleicht für die Prüfung lernen.« – »Mutti trösten«, sagt Cakes. »Hochzeitskleid nähen«, sagt Sugar. »Schöne Aussichten. Und dabei ist morgen Walpurgisnacht. Seid ihr nun Hexen, oder habe ich mich getäuscht?«, fragt Alex. – »Oh ja, Walpurgisnacht«, Sugar springt jauchzend in die Höhe. »Um acht am Mauerpark?« – »Nee, vorher in Kreuzberg. Lasst uns uns zusammentelefonieren. Die Nummer meines Bruders habt ihr ja.« Cakes grinst. »Aber Vorsicht, das wird bestimmt abgehört. Keine Klarnamen, Kreuzberg heißt X, Neukölln New und Wedding Braut. Alles klar? Ciao, Alex.«
    Sie bewegen sich winkend und langsam rückwärts laufend in Richtung Prinzenallee. Eine sich in Richtung Prenzlauer Berg entfernende Sirene ist zu hören, und ehe Alex auch nur mit den Wimpern gezuckt hat, sind die drei Mädchen verschwunden.

2.35 Uhr
Gerda Schweickert kann nicht schlafen und beschriftet ihre Umzugskisten, in denen sich die Geister ihrer Nachbarn aufhalten
    Gerda Schweickert ist sich nicht sicher, ob sie in dieser Nacht überhaupt schon eine Minute geschlafen hat. Die Polizeisirene jedenfalls geht ihr schon eine Weile auf die Nerven. Und da ist auch noch ein anderes Geräusch, ein Prasseln. Bestimmt hat ein Verrückter Feuer gelegt, wie vor ein paar Jahren, als neue Hausbesitzer die alten Mieter auf schnelle Art loswerden wollten. Aber warum sollten die ihr das Dach über dem Kopf anzünden, sie ist ja schon so gut wie weg. Vielleicht ist es auch ein pyromanischer Feuerwehrmann, der meint, dass hier keiner mehr wohnt. Gerda Schweickert springt aus dem Bett. Sie schlüpft in ihre Hausschuhe und läuft zum Fenster. Es regnet. Komisch, dass Feuer und Wasser ähnliche Geräusche verursachen. Immer wieder fällt sie darauf herein.
    Regen ist auch nicht gut. Da würden morgen die Umzugskisten nass werden. An die Möglichkeit eines feuchten Umzugs hat Gerda Schweickert überhaupt nicht gedacht. Das macht sie noch wacher.
    Die Sterne sind verschwunden, ihre Füße hingegen immer noch kalt. Gerda, du dumme Trine, was musst du auch im April barfuß auf dem Hof herumstreunen. Die Sirene entfernt sich. Vielleicht war es ja ein Krankenwagen. Oder eine Razzia in der Bar nebenan. Da kontrollieren sie manchmal die Mädchen, ob sie volljährig sind und ein Visum haben. Mensch, Rudolf, was du wohl dazu gesagt hättest, russische Huren im Nebenhaus. Vielleicht gut, dass er tot ist. Wird er nicht schwach.
    Gerda Schweickert geht in den Flur, wo ihre Umzugskisten nur eine kleine Gasse frei lassen, durch die gerade mal sie passt,
aber nie und nimmer einer dieser vierschrötigen Möbelpacker. Ich muss Ordnung schaffen, sonst drehen sie vielleicht gleich wieder um. Ratlos schaut sie auf die wild durcheinanderstehenden Kisten. Sie könnte mit ihnen ihr Hinterhaus nachbauen. Auf jeder Etage zwei Wohnungen, und jede Wohnung bekommt einen Namen an der Tür. Fünf Etagen hoch und unter dem Dach noch der Geist von Kalle Ziebarth aus der dritten, der sich erhängt hat, genau über ihrem Wohnzimmer. Das fiel erst auf, als der braune Fleck an der Decke größer und größer wurde. Sie kann heute noch die Umrisse unter den fünf Schichten Farbe sehen, die seitdem dazugekommen sind. Ziebarth wurde nach der Scheidung von keinem vermisst. Schon gar nicht von seiner Frau, die viel zu lange gebraucht hatte, um den ollen Suffkopp zu verlassen. Da waren die Kinder längst im Heim. Hat nicht schön ausgesehen, so mit der dicken blauen Zunge und wie es da aus Kalles Überresten raustropfte. In Wirklichkeit hat Gerda Schweickert

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