Walpurgistag
Fingernägel. »Die haben doch sowieso nichts auf der Festplatte.« – »Festplatte ! Die haben nur Wechselmedien, mit Viren und Trojanern verseucht.« Cakes bemerkt Miran, den gerade ein Polizist in die Mangel nimmt. »Mein armer Bruder, der ist doch so empfindlich wegen seiner Muskeln.« Candy lacht. Sugar popelt. »Hör endlich auf damit. Iss Chips, wenn du an Salzmangel leidest«, sagt Cakes, und zu Candy: » Was wollen wir eigentlich noch hier?
Das war mal wieder eine Lektion, die nichts gebracht hat. Außer: Stell dich nicht so blöd an.« Sugar grinst und popelt im anderen Nasenloch weiter. »Ich hack dir deine Zeigefinger ab«, zischt Cakes. »Das bringt nichts, Sugar quetscht noch den Daumen in die Nase.« Candy muss als Einzige über ihren Witz lachen. » Wollen wir nicht auch abziehen?«, fragt Cakes. » Wir sind ja eigentlich hergekommen, um Studien zu betreiben.« Candy ist verärgert. »Sugar, du schleichst durch den Hofdurchgang auf die Straße und guckst, was Sache ist, aber sieh zu, dass dich keiner der Bullen beobachtet. « – » Wollen wir nicht lieber mal sehen, was wir uns da für einen süßen Fisch auf dem Klo eingefangen haben?« – »Ist ein mittelalter Karpfen.« – »Nimm mal das Gitter ab, ich will ihn mir angucken.« – »Erst mal gehst du draußen die Lage auskundschaften, dann gibt’s Nachtisch«, befiehlt Candy. Sugar schmollt und trollt sich. Sie ist die Jüngste und hat nichts zu sagen. Immer muss ich ran, denkt sie und schleicht in den Hausflur. Sugar holt ein dunkles Tuch aus der Tasche und lässt es über Kopf und Körper fallen, hält es mit der Hand unter dem Kinn zusammen und öffnet die schwere Haustür. Sie drückt sich in eine dunkle Ecke des Eingangs, aber einer der Polizisten vor der Kneipe hat das Knarren gehört und kommt langsam auf sie zu. Sugar befiehlt sich, ruhig zu bleiben.
Ein paar Meter neben ihr werden zwei Männer mit Handschellen abgeführt. Einer von ihnen ist Miran, der sich umzudrehen versucht, von dem Polizisten aber noch entschlossener in den Griff genommen wird. Sugar zieht das Tuch über den Mund. Er soll sie nicht erkennen. Den Zweiten, der breitbeinig hinter Miran und dem Polizisten hergeht, kennt sie nicht. Ihr Bruder und seine Kumpel scheinen rechtzeitig abgehauen zu sein. Eine Trage wird in Richtung Krankenwagen gebracht. Auf dem verhüllten Körper liegen zwei Krücken. Unter dem Licht der Straßenlaterne leuchtet der weiße Kopfverband. Unmittelbar nachdem die verletzte Person verstaut ist, fährt der Wagen los. Das Blaulicht ist noch eine Weile an den Fassaden zu verfolgen, ehe der Wagen an der Badstraße nach links abbiegt.
Ein Polizist steht vor Sugar. »Dies ist ein Tatort, was haben Sie hier zu suchen?«, fragt er. »Ich nicht schlafen können. Kinder auch weinen.« Sugar weiß, dass sie jetzt ein Gesicht macht, als würde sie selber gleich anfangen zu heulen. Das hat sie mit Cakes und Candy vor dem Spiegel geübt. Der Polizist setzt ein Helfergesicht auf. »Nicht gefährlich. Du können schlafen«, sagt er mit einem beruhigenden Timbre und hält dabei seine rechte Hand gitterförmig über sein Gesicht. »Räuber Gefängnis.« Sein Deutsch ist eigentlich ein Grund, ihm in die Eier zu treten, aber Sugar weiß, was sich für sie als türkische Ehefrau gehört. Sie lächelt und sagt: »Danke, Deutschpolizist, türkisch Verbrecher schlecht für Türken.« Sie dreht sich um und drückt die Klinke der Haustür herunter. »Nee, nee«, sagt der Polizist, von Deutschtürkisch ins Berlinische wechselnd, »det sin nich immer nur Türken, der zweite Tatverdächtige is ’n Deutscher.« Hoffentlich gucken meine Cargopants nicht unter dem Tuch hervor, denkt Sugar, als sie in den Flur tritt. Dann wirft sie die Tür hinter sich zu und läuft vorsichtshalber eine halbe Treppe hoch. Als sie merkt, dass ihr der Polizist nicht folgt, macht sie kehrt und faltet dabei das Tuch wieder zusammen. Im Hof sind ihre Freundinnen nicht zu sehen, aber das herausgerissene Gitter des Toilettenfensters weist Sugar den Weg. Cakes und Candy haben einen Stuhl unter die Klinke der Toilettentür geschoben und beugen sich über den Bewusstlosen. Candy ist gerade dabei, seinen Kopf zu untersuchen, und flüstert: »Das dürfte keine lange Ohnmacht sein. Ansonsten hat er noch Blutergüsse und Prellungen. Wollen wir ihn mitnehmen? Ich kann ihn verarzten.« Cakes zieht ihm drei braune Geldscheine aus der Tasche. »Und wie wollen wir erklären, dass ihm das hier fehlt?« –
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