Walter Ulbricht (German Edition)
deutsche und internationale Bildungstraditionen, war einheitlich und wies durchgängige Bildungswege auf. Zudem wurde es stetig weiterentwickelt.
Dieses Bildungswesen umfasste die Einrichtungen der Vorschulerziehung (Krippen und Kindergärten), die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, Einrichtungen der Berufsausbildung (kommunale- und Betriebsberufsschulen), die zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtungen (Erweiterte Oberschule, Berufsausbildung mit Abitur, Volkshochschulen, Fachschulen), Ingenieur- und Fachschulen, Universitäten und Hochschulen sowie Einrichtungen der Erwachsenenbildung (Volkshochschulen, Betriebsakademien in Betrieben der Industrie, der Landwirtschaft und der Verwaltungen).
Die DDR vermochte es, dass alle Kinder und Jugendlichen eine zehn Jahre umfassende Oberschulbildung erwarben und alle, die nicht den Weg zum Abitur und damit zum Hochschulstudium gingen, eine vollwertige Berufsausbildung mit anschließend gesichertem Arbeitsplatz bekamen. Ihnen stand die Möglichkeit offen, ein Fachschulstudium zu absolvieren. Welche Wirkungen damit erreicht wurden, lässt sich an der Entwicklung der Qualifikationsstruktur der DDR-Bevölkerung ablesen:
Die Zahl der Facharbeiter und Meister stieg von 25,8 Prozent im Jahr 1955 auf 64 Prozent im Jahr 1985.
Die Zahl der Hoch- und Fachschulkader stieg von 4,3 Prozent im Jahr 1955 auf 21 Prozent im Jahr 1985.
Die Zahl der Un- und Angelernten sank von 69,9 Prozent im Jahr 1955 auf 15 Prozent im Jahr 1985.
Das Bildungswesen, so wie es sich auf der Grundlage des Gesetzes von 1965 herausgebildet hatte, war integraler Bestandteil des gesamtgesellschaftlichen Systems der DDR. Hunderttausende Pädagoginnen und Pädagogen, unterstützt von Eltern, Wissenschaftlern und Werktätigen in Betrieben und Verwaltungen, hatten es durch ihre fleißige Arbeit dazu gemacht. Es genoss international, auch in der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), hohe Anerkennung und wurde in vielen Staaten, nicht zuletzt in einer Reihe von Entwicklungsländern, als Beispiel für ein wahrhaft humanistisches Bildungswesen gesehen.
Was dann nach dem Anschluss der DDR an die BRD mit diesem Bildungswesen geschah, war ein Rückfall in ein sozial ungerechtes, von Bildungsprivilegien geprägtes System. Das war und ist unverantwortlich gegenüber den Kindern und Jugendlichen dieses Landes.
Walter Wiemer
Staatsmännisches Denken auf dem VII. Pädagogenkongress
Walter Wiemer, Jahrgang 1931, geboren und aufgewachsen in Ostpreußen, nach dem Krieg Ochsenkutscher, Knecht und Landarbeiter, Arbeit auf dem Neubauernhof des Vaters in der Uckermark seit 1948. Eintritt in die FDJ, Teilnehmer des Fackelzuges am 11. Oktober 1949 in Berlin und der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1951. Danach Neulehrer, später Fernstudium Geschichte und Deutsch und Mitte der 60er Jahre Besuch des Pädadogischen Instituts in Leipzig. Von 1969 bis 1989 Direktor der Hermann-Matern-Schule in Brüssow bei Prenzlau, die 2002 mangels Schüler aufgelöst wurde.
B rüssow zählt vielleicht zweitausend Einwohner und liegt in der Uckermark, zu DDR-Zeiten gehörten wir zum Kreis Pasewalk, heute sind wir Land Brandenburg. Hitler schenkte 1935 dem Generalfeldmarschall August von Mackensen 1 die preußische Domäne Brüssow, das waren über 1.200 Hektar Land zuzüglich Wald und Seen, die später zum Erbhof erklärt worden, und besuchte selbst zweimal den Ort. Der damals bereits 86-jährige Militär holte Albrecht Schönherr, einen Schüler Dietrich Bonhoeffers, nach Brüssow. Es war, von 1937 bis 1946 die erste Pfarrstelle Schönherrs. 1969 wurde Schönherr Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Bischof Schönherr prägte jene Haltung und Formel von der »Kirche im Sozialismus« (»nicht gegen, nicht neben, sondern im Sozialismus«) und setzte konsequent die Politik des Dialogs zwischen Kirche und Staatsführung fort, die mit dem Treffen des Thüringer Landesbischofs Moritz Mitzenheim und Walter Ulbricht auf der Wartburg begonnen worden war. Im Spätsommer 1964 suchte Ulbricht den Kirchenmann in dessen Amtssitz in Eisenach auf. Mitzenheim war der einzige von sechs DDR-Bischöfen gewesen, der vor Jahresfrist Ulbricht zu dessen 70. Geburtstag persönlich gratuliert hatte. Der Kirchenmann hatte im Herbst 1963 auch den Wahlaufruf des Nationalrats der Nationalen Front unterzeichnet und seinen Kritikern entgegengehalten: »Man nennt mich
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