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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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»Ernst Thälmann« in Bennewitz bei Wurzen. Sie war die erste Frau in der DDR , die eine LPG leitete. Von 1954 bis 1958 und von 1963 bis 1989 Kandidat des ZK der SED . Sie lieferte die Vorlage für Figuren in Helmut Sakowskis »Wege übers Land« und »Daniel Druskat«.

Dietrich Steinfeldt
    Warum der Agrarbezirk Schwerin die Arbeiterklasse stärken sollte
    Dietrich Steinfeldt, Jahrgang 1932, geboren und aufgewachsen in Hamburg, ausgebombt und zu den Großeltern nach Mecklenburg gezogen. Nach dem Abitur Studium der Wirtschaftswissenschaften, zunächst in Rostock, dann in Berlin. Mit Diplom zum Rat des Kreises Perleberg, dort für Finanzen zuständig, bis 1965 Chef der Kreisplankommission. Danach Wechsel zur Bezirksplankommission, deren Vorsitzender er bis 1975 war. Von 1975 bis 1989 Sekretär für Wirtschaft der Bezirksleitung der SED Schwerin, danach Rentner.
    E nde Juni 1967 besuchte Walter Ulbricht Schwerin, um in der Kongresshalle auf einer Kundgebung zu sprechen. Am 2. Juli waren Volkskammerwahlen. Er kam einen Tag früher, um, wie es hieß, mit dem Sekretariat der Bezirksleitung der SED aktuelle Aufgaben und Probleme zu beraten, konkret sollte es um Fragen der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft sowie des Bauwesens gehen.
    Der 1. Sekretär, er hieß seit 1952 Bernhard Quandt 10 , hatte sich einen gründlichen Bericht erarbeiten lassen, die Diskussionsredner waren benannt, Kartenmaterial und Modelle vorbereitet. Ich gehörte seit geraumer Zeit der Bezirksplankommission an und konnte der Zusammenkunft gelassen entgegensehen, da ich nicht sprechen musste. Außerdem hielt sich, mit Verlaub, meine Begeisterung für Ulbricht in Grenzen, wofür es gewiss Gründe gab, die man wohl ahnen kann. Außerdem fragte ich mich ein wenig nassforsch: Der Mann war mehr als doppelt so alt wie ich, was sollte der mir Neues zu erzählen haben?
    Ich saß etwa drei Meter von ihm entfernt und konnte ihn studieren, wie er aufmerksam und konzentriert die Redebeiträge verfolgte und dabei Notizen machte. Der Bezirk Schwerin war erkennbar ein Agrarbezirk, mehr als die Hälfte des Bruttoproduktes wurde von Betrieben der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft erzeugt. An der Industrieproduktion der DDR war der Bezirk lediglich mit 1,6 Prozent beteiligt und belegte damit den vorletzten Platz aller Bezirke. Gut, irgendeiner musste schließlich hinten marschieren, das schien mir wenig dramatisch. Allerdings zeigten unsere Analysen auch, dass in den nächsten zehn Jahren geburtenstarke Jahrgänge in den Berufsprozess einsteigen würden, wir rechneten mit einem Zuwachs von etwa 13.000 Personen. Auf der anderen Seite würden aufgrund der fortschreitenden Modernisierung der Landwirtschaftsbetriebe dort etwa 4.000 Arbeitsplätze verschwinden. Und schon jetzt verbrauchte der Bezirk mehr vom Nationaleinkommen, als er selbst erzeugte, das heißt, selbst die Landwirtschaft brachte nicht die Zuwächse, die sie hätte bringen müssen. Quandt, dessen Herz nicht nur wegen seiner Herkunft für die Landwirtschaft schlug, glaubte darauf mit der Stärkung und Entwicklung der Agrarbetriebe reagieren zu müssen.
    Am Ende der Zusammenkunft wurde Ulbricht gebeten, das Schlusswort zu sprechen. Ich erwartete, dass er – wie man es aus dem Fernsehen kannte – nunmehr eine vorbereitete Rede aus der Tasche ziehen und die üblichen Gemeinplätze verkünden würde. Doch Ulbricht sprach wider Erwarten frei und schaute nur hin und wieder auf seine Notizen, um auf bestimmte Aussagen einzugehen. Das war für mich die erste große Überraschung. Die zweite war sein Fazit: Die Arbeiterklasse habe sich im Bezirk nicht in dem Maße entwickelt, wie es notwendig sei, weshalb auch die Landwirtschaft zurückbliebe. Kurzum, wir müssten die Industrie im Bezirk ausbauen, damit die Landwirtschaft vorankäme. Das verblüffte, zumal alle am Tisch der Meinung waren, dass eine beschleunigte Entwicklung der Industrie den Hauptproduktionszweig des Bezirkes, nämlich die Landwirtschaft, schwächen würde. Darum war alles auf die Entwicklung eines modernen Agrarbezirkes ausgerichtet – und nun kam Ulbricht und forderte, die Industrie zu entwickeln. Hier, in Mecklenburg?
    Selbst in der Prognosegruppe des Ministerrates »Standortverteilung der Produktivkräfte in der DDR«, der ich angehörte, sah man es anders. Ackerbau und Viehzucht sollten auch künftig im Bezirk dominieren, allenfalls der Tourismus, damals nannten wir es noch Erholungswesen, sollte forciert werden.
    Ulbricht verlangte

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