Walter Ulbricht (German Edition)
schließlich – oder wie es politisch korrekt hieß: er schlug vor –, noch in diesem Jahr gemeinsam mit der Staatlichen Plankommission Vorstellungen zur Grundrichtung der Entwicklung des Bezirkes bis 1980 zu entwickeln. Und noch in diesem Jahr brauche man einen Bezirksperspektivplan bis 1970 sowie einen Generalverkehrs- und -bebauungsplan für den Zeitraum bis 1980.
So geschah es denn auch. Am 7. Dezember 1967 behandelte die Bezirksleitung diese Strategiepapiere, dann wurden sie vom Bezirkstag diskutiert und beschlossen.
Auf dieser Basis entstand beispielsweise in wenigen Jahren der Industriekomplex Schwerin-Süd mit Großbetrieben wie dem Plastmaschinenbau, dem Hydraulikwerk und dem Lederwarenbetrieb mit mehreren Tausend Beschäftigten. Und natürlich die dazugehörigen Wohnungen. Unterm Strich verdoppelte sich in der Folgezeit der Grundmittelbestand in der Industrie des Bezirkes, vervierfachte sich von 1971 bis 1989 die Produktion im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Leichtindustrie.
Drei Jahre nach der von Ulbricht angeregten Weichenstellung wurde ich nach Berlin gebeten, um auf einer Sitzung des Staatsrates zu sprechen. Sie stand unter dem sperrigen Titel »Die weitere Gestaltung des Systems der Planung und Leitung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden – zur Entwicklung sozialistischer Kommunalpolitik«. Ich sollte dort über die Koordinierung von Investitionen am Beispiel des Industriekomplexes Schwerin-Süd sprechen. Quandt hatte mir zwar aufgegeben, auch etwas zu seinem Lieblingsthema, der Landwirtschaft, zu sagen, doch angesichts der sehr präzisen Vorgabe meines Themas war das schlechterdings nicht möglich.
Ich fuhr also im April 1970 zur 24. Sitzung des Staatsrates in die Hauptstadt, Ulbricht erteilte mir schon als zweitem Diskussionsredner das Wort. Ich sprach über unsere Erfahrungen, Ulbricht dankte und reagierte umgehend darauf, es sollte seine einzige Replik auf einen Redebeitrag an diesem Tage sein. Er unterstrich meine Einschätzung, dass der Aufbau des neuen Industriezentrums im Süden Schwerins eine sehr komplizierte, weil sehr komplexe Aufgabe sei, weshalb sich zurecht die staatliche Leitung und die politische Führung in Schwerin schwerpunktmäßig auf die Errichtung des Industrie- und Wohngebietes konzentriere. Alles andere sei zweitrangig. Damit nahm er möglicher Kritik die Spitze, dass andere Probleme im Bezirk, die ebenfalls einer Lösung bedurften, zunächst hintangestellt wurden.
Angesichts der Entwicklung des Bezirkes Schwerin, die mit Ulbrichts – nun, sagen wir ruhig – Vorgabe erfolgt war, konnte man sehen, dass diese strategische Orientierung völlig richtig war. Es war der endgültige Aufbruch einer vormals zurückgebliebenen Region in die Moderne.
10 Bernhardt Quandt (1903-1999), Eisendreher, 1920 SPD , 1923 KPD , 1932 Abgeordneter des Landtages Mecklenburg-Schwerin. Nach 1933 wiederholt inhaftiert, von 1939 bis 1945 KZ Sachsenhausen und Dachau. Nach dem Krieg Landrat in Güstrow, seit 1948 Landwirtschaftsminister von Mecklenburg, 1951/52 Ministerpräsident. Von 1952 bis 1974 1. Sekretär der Bezirksleitung Schwerin der SED . Mitglied des ZK von 1958 bis 1989 und seit 1960 des Staatsrates.
Gerhard Schneider
»Schont die Landschaft und steigert trotzdem die Produktion«
Gerhard Schneider, Jahrgang 1933, 1945 Umsiedelung aus Ostpreußen, Lehre in der Landwirtschaft. Seit 1952 Dienst in den bewaffneten Organen der DDR. 1964 Entlassung als Major der Reserve. Studium an der Ingenieurschule für Landtechnik in Berlin-Wartenberg. 1967 Chefingenieur, danach bis zur Auflösung in verschiedenen Leitungsfunktionen des VEG Zingst tätig. Danach arbeitslos, jetzt Rentner.
U nser Volkseigenes Gut Zingst befand sich unweit vom Ostseebad Dierhagen, wo Ulbricht im Sommer Urlaub machte. Wenn er auf dem Darss war, musste man immer mit Überraschungen rechnen. Mal tauchte er hier, mal dort auf. Einmal stand er vor dem Rathaus in Ribnitz und wünschte den Bürgermeister zu sprechen. Der war aber nicht dort, denn im Rathaus amtierte der Rat des Kreises. Ulbricht war aber der Meinung, dass Rathäuser Häuser sein müssten, in denen die Bürger, so sie denn Rat suchten, ihn auch vom Bürgermeister bekommen sollten. Er veranlasste, dass der Rat sich eine andere Bleibe suchen musste und der Bürgermeister wieder ins Rathaus zurückkehren konnte. Solche populären
Weitere Kostenlose Bücher