Walter Ulbricht (German Edition)
man nüchtern sein und einen klaren Blick haben.«
Johannes Chemnitzer
»Herzlich willkommen, liebe Genossin Walter Ulbricht«
Johannes Chemnitzer, Jahrgang 1929, Eintritt in die KPD 1945, Besuch der Fachschule für Landwirtschaft in Zwickau, danach, von 1955 bis 1958, Sekretär für Landwirtschaft in der Kreisleitung Zwickau der SED und anschließend Besuch der Parteihochschule in Moskau. Von 1958 bis 1962 Sekretär für Landwirtschaft der Bezirksleitung Gera der SED sowie 1961/62 Vorsitzender der Ständigen Kommission für Landwirtschaft des Bezirkstages Gera. 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Neubrandenburg von 1963 bis 1989 und seit 1963 Abgeordneter der Volkskammer (bis 1989), von 1967 bis 1989 Mitglied des ZK, im November 1989 Kandidat des Politbüros und ZK-Sekretär, im Dezember aus der SED ausgeschlossen.
A ls kaufmännischer Lehrling bekam ich noch im März 1945 eine Uniform, die ich aber, auf Vorschlag eines Bauern und wegen der von ihm genährten Furcht, ich käme damit in amerikanische Kriegsgefangenschaft, rasch wieder auszog, um bei ihm, zumindest für kurze Zeit, auf dem Hof zu arbeiten. Dann kehrte ich doch nach Hause zurück und Vater aus der Kriegsgefangenschaft heim. Der amerikanischen Besatzung war im Spätsommer die Rote Armee gefolgt, in Wildenfels, einer Kleinstadt südöstlich von Zwickau gelegen, erfolgten jene Veränderungen und Umbrüche wie überall in der sowjetischen Besatzungszone. Der lokale Graf wurde enteignet, seine Äcker wurden Bodenreformland, und mein Vater erhielt eine Neubauernstelle. Dort wurde ich nun Landarbeiter.
In der Folgezeit erlebte ich die mitunter harten Auseinandersetzungen auf dem Lande. Es ging um Soll, »freie Spitzen«, Preise, Zuteilungen, staatlichen Aufkauf, um fehlendes Saatgut, Düngemittel, Ersatzteile und vieles mehr. In den Bauernversammlungen zeigten sich die bestehenden Gegensätze und unterschiedlichen Interessen. Die starken Bauern führten das Wort und verweigerten die Erfüllung ihrer Veranlagungen. Sie machten kein Hehl daraus, dass sie die Entwicklung unter den neuen politischen Verhältnissen mindestens kritisch sahen, wenn nicht gar ablehnten. Oft fuhr ich nach solchen hitzigen Debatten unzufrieden, um nicht zu sagen verärgert nach Hause.
Nach dem Besuch der Parteihochschule wurde ich Landwirtschaftssekretär in der Bezirksleitung Gera. Der V. Parteitag der SED hatte darauf orientiert, die sozialistische Umgestaltung auf dem Lande zu vollenden. Der Erste Sekretär machte erkennbar Druck. Auch in Gera. Dort hinkte man der Entwicklung ziemlich hinterher. Es gab geharnischte Kritik und eine Kommission, die die Ursachen untersuchte. Am Ende wurde der 1. Sekretär der Bezirksleitung abgelöst, an seine Stelle trat Paul Roscher, ein erfahrener Agrarpolitiker. Auch in Berlin gab es Veränderungen. Auf der 7. Tagung des Zentralkomitees im Winter 1959 löste Gerhard Grüneberg den bisher für die Landwirtschaft zuständigen ZK-Sekretär Erich Mückenberger ab.
In der Folgezeit gab es wiederholt Beratungen von den für Agrarpolitik Verantwortlichen. In guter Erinnerung ist mir ein Treffen mit Ulbricht zu Beginn des Jahres 1960, als er uns darauf einschwor, alle Bauern im Land für die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zu gewinnen. Wir sollten für eine »Atmosphäre der sozialistischen Umgestaltung« sorgen. Alle Bauern sollten den Schritt vom Ich zum Wir vollziehen, weil es der Republik, aber auch jedem einzelnen Landwirt nützte. Dabei sollten Stadt und Land Hand in Hand gehen und die demokratischen Parteien und Massenorganisationen mobilisieren.
In Gera entwickelte auf Initiative der Bezirksleitung die Ständige Kommission Landwirtschaft des Bezirkstages einen Plan zur Entwicklung der Viehwirtschaft. Dabei wurde sie von der Landwirtschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität in Jena unterstützt. Die Bildung von Genossenschaften ging voran. 1963, im Jahr des VI. Parteitages der SED, war unser Bezirk vollgenossenschaftlich.
Offenkundig war man mit meiner Arbeit zufrieden. Im November 1962 beschloss der Ministerrat, mich zum Stellvertretenden Leiter der Ständigen Kommission Landwirtschaft im RGW zu berufen. Und das Politbüro war der Meinung, dass ich im Agrarbezirk Neubrandenburg an die Spitze der dortigen Parteiorganisation treten sollte. Am 17. Februar 1963 wurde ich zum 1. Sekretär der Bezirksleitung gewählt. Fortan bekam ich es nunmehr regelmäßig mit Walter Ulbricht zu tun.
Viele Genossenschaften im
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