Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
Vom Netzwerk:
Zudem war ich jung und obendrein Frau, bei Letzteren herrschte erkennbar Mangel an der Spitze. Nimm die Titelseite des Neuen Deutschland mit den Köpfen der Politbüromitglieder, die der VI. Parteitag wählte: Ich bin dort die einzige Frau! Und was das Alter angeht: Ulbricht zog systematisch junge Leute nach. Er wollte keinen Generationswechsel, sondern eine kontinuierliche Erneuerung des Führungspersonals. Auch darin zeigte sich sein strategisches Denken. Außerdem: Als Kandidat war man ja nicht so intensiv in die politische Arbeit in Berlin eingebunden, ich konnte also weiter in Kotelow in der LPG arbeiten.
    Aber in den Politbürositzungen spielte das keine Rolle. Da wurde nicht zwischen Kandidat und Vollmitglied unterschieden. Allenfalls bei Abstimmungen. Und abgestimmt wurde im Politbüro, zumindest zu meiner Zeit, äußerst selten. Ich kann mich nur an ganze drei Abstimmungen in den zwölf Jahren, als ich diesem Gremium angehörte, erinnern. In der Regel wurde Einmütigkeit erarbeitet. Oder war das unter Ulbricht anders?
    Nein.
    Und wurde diskutiert?
    Ja, sehr. In der ersten Zeit saß ja noch Otto Grotewohl 6 mit ihm vorn. Und da wurde lebhaft debattiert. Nach Ottos Tod saß Walter eine ganze Zeit allein vorn. Irgendwann rückte dann Erich Honecker an seine Seite, er leitete ja bereits die Sekretariatssitzungen.
    Konnte Walter Ulbricht auch grob sein?
    Daran kann ich mich nicht erinnern.
    Gab es damals Reibereien zwischen den älteren und den jüngeren Genossen im Politbüro? Die Alten hatten andere Lebenserfahrungen, waren im Exil oder in Nazihaft und konnten darum nicht studieren – ihr aber hattet studiert, wart fachlich qualifizierter als manch anderer.
    Dergleichen habe ich nicht gespürt. Im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Älteren um die Jüngeren bemühten, ihnen halfen. Hermann Axen 7 zum Beispiel suchte immer das Gespräch, fragte, ob ich Unterstützung brauche.
    Hat Ulbricht dich mal aufgefordert, zur Diskussion zu sprechen?
    Nein, nie. Er kannte meine Hemmungen. Es lag in meinem Ermessen, ob ich mich meldete oder es unterließ. Ulbricht hat mich nie genötigt.
    Mit dir kam auf dem VI. Parteitag noch ein weiterer Landwirtschaftsexperte ins Politbüro: Karl-Heinz Bartsch 8 . Er blieb nur wenige Tage in diesem Gremium und wurde am 28. März 1963 auf Antrag der Zentralen Parteikontrollkommission aus der SED ausgeschlossen. Er hatte seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS verschwiegen. Wurde darüber im Politbüro diskutiert?
    Was sollte man da noch groß diskutieren? Er hatte sich im April 1941 freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, war in Frankreich und in der Sowjetunion, kämpfte 1943 im Kursker Bogen und als SS-Unterscharführer seit 1944 in der 17. SS-Panzergrenadier-Division »Götz von Berlichingen« an der Westfront. An Nazi- und Kriegsverbrechen war er nicht beteiligt, aber er hatte allen verschwiegen, dass er die schwarze Uniform dieser Verbrecherorganisation getragen hatte, zudem auch noch freiwillig. Die hatten auch andere getragen – aber niemand in der Führung der durch und durch antifaschistischen SED. Der eigentliche politische Skandal, so empfand ich, war jedoch der Vertrauensbruch. Er war gegenüber seinen Genossen nicht ehrlich gewesen. Und dafür wurde er seiner Ämter enthoben.
    Du kanntest ihn persönlich?
    Ja, er leitete seit 1965 die Bullenzuchtstation in Woldegk bis in die 80er Jahre und war bis zum Eintritt ins Rentenalter LPG-Vorsitzender. Er meldete sich gelegentlich telefonisch bei mir und bot, sofern ich sie benötigte, mir Hilfe an. Er machte seine Arbeit ordentlich.
    Hast du eine Fahrerlaubnis?
    Nein, nie. Ich wurde zu den Sitzungen in Berlin mit dem Wagen abgeholt und wieder gebracht. Auto, Fahrer und Begleiter waren in Neubrandenburg stationiert. Sie brachten noch am Samstag die Dienstpost, dann war ich allein. Ich habe die Straße vor meinem Grundstück allein gefegt wie jeder andere im Dorf, den Rasen gemäht. Einmal – da war gerade Lusja aus Moskau zu Besuch – habe ich mich beeilt, damit wir mehr Zeit füreinander hatten. Dabei schnitt ich mir mit dem Rasenmäher in den großen Zeh. Das musste genäht werden. Da lag ich dann zwei, drei Tage im Krankenhaus. Danach musste der Personenschutz bei mir den Rasen mähen. Vermutlich hatten sie Ärger wegen meines Unfalls gekriegt. Alles andere habe ich aber unverändert allein besorgt: das Kleinvieh, den Garten. Vater und meine Schwager haben mir dabei geholfen, sonst niemand.
    Du hattest noch Hühner, als du

Weitere Kostenlose Bücher