Walter Ulbricht (German Edition)
gut.«
Lübke gab im Oktober 1968 entnervt auf und kündigte an, aus »gesundheitlichen Gründen« für eine Wiederwahl nicht zur Verfügung zu stehen. Die von den BRD-Medien geführte »KZ-Baumeister-Kampagne«, wie es intern hieß, hatte ihn zu diesem Schritt veranlasst.
Ulbrichts Entscheidung erwies sich als richtig. Auch ohne Prozess hatten wir unser Ziel erreicht.
Loni Günther
Brief an Ollenhauer und Ulbrichts Kampf für die deutsche Einheit
Loni Günther, Jahrgang 1928, 1946 SED, Leiterin der Abteilung Frauen in der Landesleitung Thüringen der SED, von 1950 bis 1952 Abgeordnete des Thüringer Landtages. Von 1953 bis 1966 Mitarbeiterin bzw. Stellvertretende Leiterin der Abteilung Agitation des ZK der SED, danach bis 1989 Sekretär der Bezirksleitung der SED Suhl.
A ls 19-jährige Genossin erlebte ich ihn erstmals am 9. November 1947 im »Henneberger Haus« in Suhl. Dort hatte schon Karl Liebknecht im September 1911 gesprochen. Die örtliche Presse vermerkte, dass in Ulbrichts Ausführungen wirtschaftspolitische Fragen im Mittelpunkt gestanden hätten. Uns junge Leute hingegen interessierte mehr, was er über uns, die junge Generation, und unsere Perspektiven sagte. Ulbrichts Rede inspirierte mich derart, das ich schwankte, ob ich nun Neulehrer werden sollte, um Kinder an die neue Zeit heranzuführen, oder ob ich mich zum Volksrichter ausbilden ließe, um mit der alten Zeit abzurechnen und Nazi- und Kriegsverbrecher einer gerechten Strafe zuzuführen.
Aber erstens kam es anders, und zweitens als man denkt, wie man sagt. Ich machte darin keine Ausnahme.
Mitte der 60er Jahre, es war Hochsommer und an einem Samstag, an welchem damals bis Mittag noch gearbeitet werden musste, erreichte mich ein Anruf meines Chefs. Ob ich mal rasch zu ihm kommen könne?
Ich eilte also spornstreichs über die langen Flure zu Otto Funke, dem 1. Sekretär der Bezirksleitung Suhl, und marterte mein Hirn, was ich möglicherweise versäumt oder falsch gemacht hatte, denn das ist gewiss die Erfahrung aller, die jemals im Parteiapparat oder in einer Parteizeitung gearbeitet haben: Wenn der Erste nach einem rief, gab es meist dicke Luft.
Wir hatten im Freien Wort, dem Organ der Bezirksleitung, zu einer öffentlichen Diskussion aufgerufen. Die Leser sollten ihre Meinung zu kommunalpolitischen Problemen mitteilen, schreiben, wo sie der Schuh drückte. Die Aktion hieß bezeichnenderweise »Pitt Stöber«. Hatte Funke in den publizierten Leserbriefen etwas aufgestöbert, was ihm in die Nase stach? War ihm etwas zu Ohren gekommen, was nicht im Sinne der Partei war? Weit gefehlt. Meine Sorgen liefen völlig fehl.
»Wir möchten, dass du heute Nachmittag Genossen Walter Ulbricht und seine Frau Lotte bei einem Besuch des Naturtheaters Steinbach-Langenbach begleitest. Deinen Mann Alwin musst du natürlich auch mitnehmen.« Wir hätten sicher viel Gesprächsstoff, sagte Funke, über die FDGB-Arbeit und über den Bau des Suhler Gewerkschaftshauses, das Ulbricht ganz offensichtlich am Herzen läge …
Für mich schien diese Aufgabe eine Nummer zu groß. Was konnte ich dem ersten Mann unserer Partei und Staatsratsvorsitzenden erzählen?
»Otto, das geht nicht. Wer holt meine Tochter aus dem Kindergarten, wer kümmert sich um sie, bis wir zurück sind?«
»Mach dir keine Sorgen, das macht Friedel, meine Frau.«
Auf dem Weg von Suhl nach Oberhof, wo ich in der Pension »Haus am Waldesrand« unweit des Kanzlersgrundes die beiden abholen sollte, erinnerte ich mich der verschiedenen Begegnungen mit Ulbricht. Da war insbesondere jene kurze Arbeitsbesprechung Mitte Februar 1954, als ich gemeinsam mit Willi Bamberger, stellvertretender Chefredakteur der Einheit, zu ihm einbestellt wurde. Er informierte uns über ein Schreiben, gerichtet an den Parteivorstand der SPD und die Mitglieder dieser Partei. Darin wurden die sozialdemokratischen Genossen aufgefordert, gemeinsam mit der KPD und dem DGB die aktuellen Vorschläge zur Lösung der deutschen Frage zu unterstützen und einen Vertrag über kollektive Sicherheit in Europa zu beraten. Das Schreiben des Zentralkomitees war, wie uns Ulbricht erläuterte, eine unmittelbare Reaktion auf die Konferenz der Außenminister der vier Mächte, die seit dem 25. Januar in Berlin lief und bisher nichts gebracht hatte (sie sollte am 18. Februar ergebnislos enden). Dabei ging es im weitesten Sinne um die Aktionseinheit der Kräfte für die Wiedervereinigung. Im Vorfeld der Tagung war vom Ministerrat der DDR der
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