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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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diesen dritten Teil des ›Faust‹ abschließen. Und dieses Schlusskapitel, liebe Genossen und Freunde und liebe Gäste aus Westdeutschland, werden die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und die Bürger der westdeutschen Bundesrepublik – brüderlich vereint – gemeinsam gestalten.«
    Der Tagung schloss sich eine dreimonatige Volksaussprache an, es gab auch zustimmende Wortmeldungen aus der Bundesrepublik.
    Am 16. Juni 1962 trat der Nationalkongress der Nationalen Front in der Dynamo-Sporthalle zusammen. Neben 2.332 gewählten Delegierten waren etwa 350 Gäste aus der Bundesrepublik und Westberlin erschienen. Eingangs rezitierte Wolfgang Langhoff, Intendant des Deutschen Theaters und einst Häftling im KZ Börgermoor, Johannes R. Bechers »Die geschichtliche Heimat des Deutschen«. Es waren Worte, die tief berührten. Nationalrats-Präsident Erich Correns berichtete über die Diskussion des Dokuments, dem Millionen zugestimmt hatten. Dann sprachen der Wissenschaftler Manfred von Ardenne, der Thüringer Landesbischof Moritz Mitzenheim, der Schriftsteller Willy Bredel, der Gewerkschaftsfunktionär Kurt Feustel aus der BRD und Vertreter aus DDR-Betrieben. Sie alle bekundeten auf die eine oder andere Weise: Das Nationale Dokument zeigt die Perspektive eines deutsch-deutschen Miteinanders. Walter Ulbricht und Ministerpräsident Otto Grotewohl im Präsidium zeigten sich zufrieden
    Ich war Mitarbeiter der Redaktionsgruppe. In einer Tagungspause beriet diese, wie die noch immer eingehenden Änderungsvorschläge behandelt werden sollten. Ich argumentierte temperamentvoll gegen einen Vorschlag, als sich hinter meinem Rücken die Tür öffnete. Walter Ulbricht setzte sich zu uns. »Lasst euch nicht stören.«
    Die Runde aber blieb trotz der Aufforderung stumm, auch ich setzte meine Rede nicht fort. Ulbricht meinte: »Der junge Genosse hatte doch ein Problem, ja. Also, was war es?«
    Ich legte meinen Vorschlag erneut dar.
    Niemand reagierte. Bis auf Ulbricht. »Klingt doch vernünftig, was der junge Genosse vorschlägt.«
    Das sahen nun plötzlich alle anderen auch so.
    In der Folgezeit – ich greife vor – sollte ich wiederholt mit Ulbricht zusammentreffen. Als Mitarbeiter Albert Nordens saß ich in der Arbeitsgruppe, die in Sachen Kriegs- und Naziverbrecher recherchierte. In Erinnerung an diese Begegnung begrüßte mich Ulbricht stets mit der Formel: »Ah, der junge Genosse.«
    Die Delegierten des Nationalkongresses verabschiedeten am Nachmittag des 17. Juni 1962 einstimmig das Nationale Dokument, das auf eine deutsch-deutsche Konföderation zielte. »Besonders wichtig wäre es« – so die Kernaussage – »im Rahmen einer solchen Konföderation den Frieden für das deutsche Volk in der ganzen Übergangsperiode zu sichern. Die beiden deutschen Staaten – in einer Konföderation miteinander verbunden – brauchten keine Rüstung. Die Konföderation könnte die vollständige Abrüstung in Deutschland, das Verbot von Atom- und Kernwaffen auf deutschem Boden, die Neutralität der deutschen Staaten vereinbaren. Es könnte sofort begonnen werden, ein Minimum an guten, anständigen und soliden Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten herbeizuführen.«
    Bekannlich erwies sich diese Überlegung als nicht realisierbar. Die nationalen wie die internationalen Klassenverhältnisse standen dem entgegen.
    Bei der Aufarbeitung der Nazivergangenheit rückte in jener Zeit immer mehr Bundespräsident Heinrich Lübke in den Fokus. Er amtierte seit 1959. Wir hatten ermittelt, dass er von 1939 bis Kriegsende als Vermessungsingenieur und Bauleiter beim Architektur- und Ingenieurbüro Walter Schlempp tätig gewesen war. Dieses unterstand Albert Speer, Hitlers Intimus und Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Lübkes Unterschrift fand sich unter Bauzeichnungen für Baracken, in denen KZ-Sklaven untergebracht waren, und von 1943 bis 1945 trug er als Bauleiter der Heeresversuchsanstalt Peenemünde Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen.
    So stand es auch in dem 1965 erstmals erschienenen Braunbuch. Albert Norden verwies bei der Vorstellung der Dokumentation auf entsprechende Belege und bot der BRD Akteneinsicht an, damit die natürlich frisierte offizielle Biografie des Bundespräsidenten der Realität angepasst werden könnte.
    Albert Norden nannte auf der Pressekonferenz im Sommer 1965 Lübke einen »KZ-Baumeister« und fragte rhetorisch, wie sich diese Vergangenheit mit dem Anspruch der BRD vereinbaren

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