Walter Ulbricht (German Edition)
Bedeutung dieser Reise für die internationale Anerkennung der DDR abzuwerten. An der Hallstein-Doktrin wurde weiter festgehalten. Aber in diplomatischen Kreisen konnte man öfter Meinungen hören, sie sei destruktiv, weil sie sich im Streben nach Entspannung und Verständigung als hinderlich erwies. Ich habe es in meiner Tätigkeit besonders in Afrika erlebt, wie sich Staatsoberhäupter und Außenminister ein konstruktives Verhältnis mit der DDR bis zu diplomatischen Beziehungen wünschten, aber gleichzeitig fürchteten, wirtschaftliche Sanktionen der BRD nicht verkraften zu können. Doch der Prozess der diplomatischen Anerkennung der DDR war nicht mehr aufzuhalten, auch wenn er sich bis 1975 hinzog. Auf internationaler Ebene, auch als Mitglied der UNO seit 1973, hat die DDR für friedliche gleichberechtigte Zusammenarbeit von Staaten und für die internationale Sicherheit bis zum Ende ihres Bestehens aktiv gewirkt.
1 Das FDGB -Urlauberschiff »Völkerfreundschaft« war 1946 in Schweden gebaut worden und verkehrte zunächst als MS Stockholm auf der Atlantiklinie. Es hatte 12.644 BRT und beförderte knapp 700 Passagiere. Bei einem Zusammenstoß mit der italienischen »Andrea Doria« sank der größere Liner, die »Stockholm« wurde repariert, umgebaut und an die DDR verkauft, wo das Schiff am 3. Januar 1960 als Urlauberschiff des FDGB unter dem Namen »Völkerfreundschaft« in Dienst gestellt wurde. Die »Völkerfreundschaft« fuhr bis 1985, dann trat die MS »Arkona« an ihre Stelle. Das Schiff wurde verkauft, 1986 in »Fritjof Nansen« umbenannt und in Oslo als Unterkunft für Asylbewerber genutzt. 1989 kaufte es ein italienischer Reeder, der es zu einem modernen Kreuzfahrtschiff umbauen ließ. Seit 2007 fährt die »schöne Italienerin« für einen deutschen Veranstalter.
2 Die Baumwollspinnerei in Schibin el Kum, 80 Kilometer von Kairo entfernt, war mit 100.000 Spindeln aus der DDR bestückt worden. Der Spiegel, der in seiner Ausgabe vom 3. März 1975 über den Besuch berichtete, machte allein in seiner Diktion deutlich, wie sehr Bonn getroffen war: »Die von schweren Lidern halbverdeckten Augen des Zonen-Vogts, die sonst so listig funkeln, wurden dort vor Stolz und Rührung feucht. Die Begeisterung übertraf alles, was der Kommunist auf seinen Staatsvisiten in Ländern des Ostblocks an eingeplantem Jubel-Soll erlebt hatte. Einzelne Arbeiter ließen sich von der Polizei prügeln, um nicht aus seiner Nähe verdrängt zu werden – eine Verhaltensweise, die Ulbricht von den Arbeitern seiner Heimat nicht gewohnt ist. […] ›Meinetwegen hätte es noch viel länger dauern können‹, sagte Ulbricht mit aufrichtigem Bedauern, als er die Spinnerei nach Ablauf einer Stunde wieder verlassen musste.«
3 Der neue Assuan-Staudamm wurde von 1960 bis 1971 mit sowjetischer Hilfe errichtet, nachdem die USA und die Weltbank ihre Finanzierungszusagen 1956 zurückgezogen hatten, weil Ägypten die Volksrepublik China anerkannt hatte. An dem Projekt, das umgerechnet etwa 2,2 Milliarden Euro kostete, arbeiteten 2.000 sowjetische Ingenieure und 30.000 Arbeiter. Der Stausee ist der drittgrößte der Erde.
4 Über die Ägyptenreise 1965 veröffentlichte u. a. Lotte Ulbricht »Eine unvergessliche Reise«, Walter Ulbricht gab noch im gleichen Jahr den Bildband »Freundschaft. Vereinigte Arabische Republik – freies Land am Nil« heraus, dessen Redaktion Heinz Eichler besorgte.
Gisela Höppner
Was ich an ihm bewunderte? Wie liebevoll er mit Lotte umging
Gisela Höppner, Jahrgang 1927, geboren und aufgewachsen in Berlin, Vater an der Ostfront vermisst, ausgebombt, Lehre als Großhandelskaufmann, Sekretärin bei der IG Metall, dann FDGB-Instrukteur. Nach Gründung der DDR Wechsel ins Zentrale Schreibbüro von Präsident Wilhelm Pieck im Schloss Niederschönhausen. Dann persönliche Sekretärin von Staatssekretär Max Opitz, dem Chef der Präsidialkanzlei. Nach dem Tod Wilhelm Piecks Bildung des Staatsrates und Übernahme in die Protokollabteilung des Staatsrates. Nach dem Tod Walter Ulbrichts tätig in der Protokollabteilung der Volkskammer.
W as ist dir spontan an Walter Ulbricht aufgefallen?
Seine Hände. Ich erinnere mich an eine meiner ersten Auszeichnungsveranstaltungen im Bankettsaal des Staatsratsgebäudes, es war einer meiner ersten Einsätze dort. Ich stand, wie es sich gehörte, einen halben Schritt hinter ihm. Otto Gotsche sprach, Walter Ulbricht wartete, dass er die 300 Auszeichnungen übergeben konnte, die ich ihm
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