Walter Ulbricht (German Edition)
Das ging einfach nicht. Er ließ mich deutlich seine Herablassung spüren. Bis wir zum ersten Mal Geschenke aus dem Lager holten. Ich bekam am Vortag immer die Liste der Besuchsstationen des nächsten Tages und die Aufschlüsselung, welche Präsente benötigt wurden. Ich bin also in seiner Begleitung mit dem Posten rein, bat diesen, Kiste Nr. 25 zu öffnen und Paket Nr. 23 links oben herauszunehmen, da sei Spielzeug drin, das brauchen wir für den Kindergarten. Dann Kiste 58, Paket 11, oben rechts: Kamera mit Ausrüstung für den Betriebsdirektor sowieso. Diese Präzision und preußische Ordnung haben den Protokollmann derart beeindruckt, dass er mich fortan sehr höflich und respektvoll behandelte.
Walter Ulbricht war zum Zeitpunkt der Reise bereits jenseits der 70, es war heiß und der Terminplan eng. Wie stand er das durch?
Er war absolut fit, der trieb sogar auf dem Schiff seinen Frühsport. Er machte in jeder Hinsicht eine gute Figur.
Allein oder mussten andere mitmachen?
Er zwang keinen dazu. Auch Lotte machte ihre Gymnastik.
In welchem Verhältnis standest du übrigens zu ihr?
Ich war ihr zugeteilt worden, damit ich mich um sie kümmere, ihr bei bestimmten Fragen helfe. Sie hatte im Staatsrat ein kleines Arbeitszimmer, in welchem sie arbeitete. Sie gab mir eine Kasse mit Bargeld und das Scheckheft der Ulbrichts, um die persönlichen Ausgaben der beiden zu regeln. Sie waren in dieser Hinsicht überkorrekt und ließen sich nichts schenken, jede Quittung, jede Rechnung wurde abgelegt.
Am Anfang kam ich mit Lotte Ulbricht nicht klar, bisweilen wirkte sie etwas herrisch. Als sie mich einmal grundlos runterputzte, bin ich zu Max Opitz und habe ihn gebeten, mir eine andere Aufgabe zu übertragen. Nee, sagte er, wenn du Probleme mit Lotte hast, musst du das mit ihr klären, nicht mit mir. Als ich beim nächsten Mal im Zimmer von Lotte war, wusste sie bereits Bescheid. Mensch, Mädel, du weißt doch, dass ich es an der Galle habe, und wenn es mir nicht so gut geht, lass ich das auch andere spüren. Entschuldige. Du kannst mich doch nicht sitzenlassen. – Von da an kamen wir gut miteinander klar.
Sie war auch in Modefragen etwas eigenwillig und sperrig. Gerald Göttings Frau erzählte mir, dass sie Lotte bei irgendeinem Empfang ein Kompliment gemacht hatte. Sie trug ein schwarzes Samtkleid mit Pelzbesatz, was Sabine Götting ganz reizend fand und ihr das auch sagte. Ich und reizend, fuhr Lotte sie an, das passe ja wohl kaum zueinander.
Ich begleitete sie auch bei Messebesuchen in Leipzig. Als damals die Hosenanzüge aufkamen, da hättest du sie mal erleben sollen, Egon. Sie kriegte sich fast nicht mehr ein. Frauen sollten wie Frauen aussehen und nicht wie Kerle, wetterte sie. Kleider, Röcke und Kostüme seien die angemessene Kleidung. Und? Später trug sie selber gern Hosenanzüge.
War sie wählerisch?
Kann man so nicht sagen. Sie war nur besonders kritisch. Als ich in Walters Auftrag Trauringe anfertigen ließ, ganz einfache und schlichte, sagte sie: Ick weeß nich … Walter gefielen sie auf Anhieb.
Die Protokollabteilung des Staatsrates war wie groß?
Vier Personen und eine Sekretärin. Und wir hatten wirklich alle Hände voll zu tun. Nimm nur mal die Auszeichnungsveranstaltungen. Da waren jedes Mal Hunderte von Urkunden auszufertigen und zu siegeln; wir haben doch damals noch mit Lack gearbeitet. Auszeichnungen, Empfänge, Glückwünsche zu Geburtstagen, Beileidsschreiben, Betreuung von Gästen …
Wir spürten, wie es den Arbeitern und Bauern im Staatsratsgebäude gefiel, wenn sie zu einer Auszeichnungsveranstaltung kamen. Da war kein Prunk und Protz, eine schlichte Eleganz. Ich habe geheult, als wir nach der Eröffnung des Hauses 1964, zu der Hunderte geladen waren, anschließend das Parkett besichtigten: völlig zerkratzt durch die hohen Absätze. Wir mussten das ganze Parkett gleich erneuern lassen. Wir waren zu großer Sparsamkeit erzogen, jede Ausgabe wurde so behandelt, als sei es eine persönliche.
Habt ihr manchmal Spalier bilden müssen? Ich frage deshalb, weil eine Bekannte, die in der Präsidialkanzlei des Bundespräsidenten …
Eine Genossin von uns wurde auch übernommen.
Nein, die, die ich meine, fing neu und unter Köhler an. Sie war völlig entrüstet, als sie mitbekam, dass die ganze Mannschaft regelmäßig als Kulisse aufmarschieren musste, wenn der Bundespräsident einen ausländischen Gast empfing. Und sie hatte eine Schulklasse zu organisieren, die dabeistand, und in diese
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