Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
heran, so dicht, dass sie sozusagen hören konnte, wie die Gedanken in seinem Kopf ratterten. „Vorher gestand er uns noch, was er uns angetan hatte. Der Mann ist ein Feigling. Er widert mich an. Männer sollten … stark sein.“ Letzteres hauchte sie.
„Und … sagte er Ihnen, warum ich … ich meine, warum ich das Verbrechen Ihres Bruder öffentlich machen will?“
Nicole zuckte ihre schönen bloßen Schultern. „Er plapperte etwas Unsinniges von seinem verstorbenen Vater und darüber, dass Sie etwas von ihm verlangten, das er nicht zu tun imstande sei. Als ob uns das interessierte.“
„Das kann ich kaum glauben. Er erzählte Ihnen, was er getan hatte, und ließ Sie dann im Stich, sodass Sie gezwungen sind, allein damit fertig zu werden?“
„Ja, wir sagten doch, ein Feigling, ein Drückeberger, aber er gilt als hervorragender Schütze. Wenn wir also Rafe von der Sache erzählten, würde er ihn vermutlich fordern, und wenn er getötet würde, säße die arme Charlotte ganz allein da mit seinem ungeborenen Kind. Aber es bleibt ja oft genug den Frauen überlassen, das Durcheinander aufzuräumen, das Männer verursacht haben. Also haben wir die Köpfe zusammengesteckt und selbst überlegt, wie wir alles in Ordnung bringen können.“
„Und Sie glaubten, das gelänge Ihnen, indem Sie sich an mich wenden“, sagte Frayne und nickte. „Ich verstehe.“
Wieder biss Nicole sich auf die Lippe, nun echt betroffen, schnurrte dann aber: „Wirklich, Mylord?“
Hinter ihrem Taschentuch ächzte Charlotte laut auf. „Ich kann nicht glauben, dass ich dem zugestimmt habe … dieser Schändlichkeit! Diesem schrecklichen Opfer! Meine liebe, liebste Nicole! Aber mein Kind, mein armes, ungeborenes Kind!“
Unauffällig schaute Nicole zu Lydia, unsicher was sie nun tun, sagen sollte. Müsste Phineas nicht längst fertig sein, wenn alles nach Plan gegangen war? Um Himmels willen, jeden Moment würde Frayne entweder ihre Schwester und Charlotte nach draußen komplimentieren und sie selbst in sein Schlafzimmer bitten oder um den Preis zu feilschen beginnen.
Sie plapperte einfach weiter. „Oh, Charlotte, beruhige dich. Ich sagte dir doch, dass Seine Lordschaft vernünftig sein würde. Und auch du, Lydia … Zorn und Forderungen führen zu nichts. Hat Maman euch gar nichts gelehrt? Mich jedenfalls lehrte sie, was eine Frau tun muss, wenn sie überleben will.“
Schon wollte Lydia etwas entgegnen, da hörte Nicole ein Geräusch, als wenn Steinchen gegen das Fenster prasselten.
Offensichtlich hatte Charlotte es auch gehört, denn im gleichen Moment presste sie sich die Hände auf den umfangreichen Leib und kreischte: „Das Kind! Das Kind kommt!“
Lord Frayne wurde weiß wie sein Krawattentuch und fragte verstört: „Was sagt sie da?“
Lydia sprang auf, lief zu Charlotte, half ihr behutsam auf und führte sie in die Halle, wobei Charlotte leise wimmerte und sich den Leib hielt.
„Was, das Kind kommt? Hier etwa? Aber … aber Sie wollen doch wohl nicht gehen?“
Einen gereizten Blick zur Decke schickend, eilte Nicole an dem entsetzten Mann vorbei, der ihr nachlief wie ein Schoßhündchen. Männer! Sie glaubten, sie regierten die Welt. Sie planten Intrigen und Kriege und betrachteten sich als über die Frauen erhaben und, genau wie dem normalen Volk, enthielten sie auch ihren Ehefrauen und Töchtern jede Selbstbestimmung vor.
Betrachtete man es aber von Nahem, konnten Männer unglaublich beschränkt sein und sich von einem hübschen Busen schneller verführen lassen, als man blinzeln konnte. Gott sei Dank war Lucas da eine Ausnahme – er hätte diese Inszenierung in Windeseile durchschaut.
„Natürlich gehe ich. Wir werden diese Unterhaltung auf später verschieben müssen, außer Sie möchten das Wochenbett hier stattfinden lassen? Dann brauchen wir Ihre gesamte Dienerschaft, außerdem sofort einen Arzt, und draußen vor dem Haus muss eine dicke Lage Stroh ausgestreut werden, um das Geräusch der Wagenräder zu dämpfen. Soweit ich weiß, bewirkt es auch, dass die Schreie der Wöchnerin nicht so hallen. Ach, ja, Handtücher, jede Menge reine Tücher. Ich hörte, die Angelegenheit kann viel Schmutz verursachen.“
„Nein! Ich meine, nein, nicht hier! Aber wann werden Sie wieder hier sein? Also, es ist ja wohl klar, was Sie mir eben angeboten haben! Ich bin ein vernünftiger Mann und durchaus offen. Ich meine, Heirat, man könnte Heirat durchaus in Betracht ziehen, wenn Sie Ihre Karten geschickt ausspielen.
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