Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
schüttelte ich den Kopf. „Möglicherweise liegt es auch einfach nur an der Entfernung. Ich habe noch nie nach etwas gesucht, das mehr als ein paar hundert Kilometer Luftlinie von mir entfernt war. Angeblich gibt es Suchzauber, die auch über Tausende von Kilometern wirken, aber das weiß ich nur vom Hörensagen, ich kenne niemanden, der so einen Zauber je gewirkt hat. Halt mich nicht für vollständig vertrottelt, Grashüpfer, natürlich habe ich es versucht. Ich hätte bestimmt keinen halben Tag auf die Beschwörung meiner Kontakte verschwendet, ohne vorher direkt zu suchen.“
    „Oh.“ Molly wirkte sehr besorgt. „Natürlich. Tut mir leid.“
    Seufzend lehnte ich den Kopf zurück und schloss die Augen. „Mir auch, Kleines. Ich bin ziemlich angespannt.“
    „Nur ein bisschen“, sagte sie. „Ähm. Sollten wir wirklich am helllichten Tag einfach so hier draußen rumsitzen? Der Wagen ist nicht versteckt, und wir sind es auch nicht.“
    „So ist es“, sagte ich. „Wir wollen sichtbar sein.“
    „Warum?“
    „Ich mache mal ein Nickerchen. Nur ganz kurz. Pass du schön auf.“
    Sie warf mir einen prüfenden Blick zu, nickte dann aber folgsam. „Alles klar.“
    Erleichtert schloss ich die Augen, wurde aber bereits eine halbe Sekunde später energisch angestupst. „Aufwachen! Wir kriegen Besuch.“
    Ich öffnete die Augen. Aus dem grauen Spätnachmittag war ein nebelverhangener früher Abend geworden. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel zeigte mir einen schicken, weißen Sportwagen, der gerade dicht hinter uns einparkte. Der Fahrer stieg aus, und die Lichter am Wagen erloschen.
    „Er hat lange genug gebraucht“, knurrte ich.
    Molly runzelte fragend die Stirn. „Ach, ja?“
    „Wusste nicht, wo ich ihn suchen sollte, da habe ich ihn gebeten, uns hier zu treffen.“
    Molly spähte durch das Rückfenster. Selbst Mouse hob den Kopf, um sich umzusehen. „Oh.“ Endlich hatte Molly unseren Gast erkannt. Der Schwanz meines Hundes klopfte zögernd gegen die Rücklehne meines Sitzes.
    Ich stieg aus, um meinen Halbbruder, den Vampir, zu begrüßen.
    Thomas und ich hätten unterschiedlicher kaum sein können. Ich war mehr als einen Meter fünfundachtzig groß und schlank gebaut, er brachte es haarscharf auf einen Meter achtzig und sah aus wie ein Fitnessmodel. Meine Haare hatten die Farbe trüben, bräunlichen Schlamms. Ich trug sie gewöhnlich hinten und an den Seiten sehr kurz, oben ein bisschen länger, und egal wie oft ich sie mit Kamm und Bürste bearbeitete, sie standen in alle Richtungen ab. Thomas trug seine schwarze Naturwelle schulterlang und gepflegt. Ich hatte an diesem Abend Jeans, ein T-Shirt und meinen langen, schwarzen Ledermantel an, Thomas kam in einer maßgeschneiderten weißen Lederhose, weißem Seidenhemd und weißem Jackett aus rauer Naturseide, das Jackett kunstvoll mit Brokatstickereien verziert. Er hatte eins von diesen Gesichtern, die von Rechts wegen auf Werbeposter gehören, meins hätte eher auf ein Fahndungsplakat gepasst.
    Aber uns zierte dasselbe Kinn, und auch unsere Augen glichen einander unmissverständlich, was die Form betraf, wenn auch nicht die Farbe. Beides hatten wir von unserer Mutter geerbt.
    Thomas und ich hatten uns erst als Erwachsene kennengelernt und seitdem einiges durchgemacht. Er hatte mehrfach an bösen, schrecklichen Orten an meiner Seite gestanden und mir einige Male das Leben gerettet. Ich hatte mich revanchiert. Nur war das zu einer anderen Zeit gewesen, als Thomas noch entschlossen gewesen war, sich seinem Hunger, der Vampirwesensart, die allen Vampiren des Weißen Hofes gemein war, zu widersetzen. Es war ihm jahrelang gelungen, seine dunkleren Triebe unter Kontrolle zu halten. In dieser Zeit war er zum integralen Bestandteil der guten Gesellschaft Chicagos geworden und hatte sich generell bemüht, sich wie ein menschliches Wesen zu verhalten. Niemand wusste, dass wir Brüder waren, wir hielten das streng geheim. Hätte der Rat Bescheid gewusst, so hätten sie über Thomas gegen den Weißen Hof vorgehen können, und die Vampire hätten umgekehrt bestimmt versucht, über mich an den Weißen Rat heranzukommen.
    Dann war ihm etwas Schlimmes widerfahren, und er hatte aufgehört, menschlich sein zu wollen. Seit ihn jemand gezwungen hatte, seine Enthaltsamkeit aufzugeben, und er wieder herzhaft nach Vampir-Art zulangte, hatte ich, alle Treffen zusammengerechnet, zwei, höchstens drei Minuten in seiner Gesellschaft verbracht.
    Jetzt kam er zu mir

Weitere Kostenlose Bücher