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Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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die Tür auf. Ich drängte mich an ihr vorbei, riss die Tür auf und schnappte mir die ausziehbare Aluleiter, die ich jedes Jahr brauchte, um die Weihnachtsdekorationen aufzuhängen und wieder abzunehmen. Als Nächstes warf ich meine Krücke weg und stützte mich beim Gehen so gut es ging auf die Leiter. Obwohl ich mir alle Mühe gab, dauerte es eine ganze Weile, bis ich die Leiter unter dem Schlafzimmerfenster der Willoughbys aufgestellt und ausgefahren hatte.
    Mrs. Spunklecrief gab mir einen losen Ziegel aus einer kleinen Beet-Umrandung und sagte: „Hier. Ich kann da nicht hochklettern. Meine Hüfte.“
    Ich steckte den Ziegel in die Manteltasche. Der Aufstieg die Leiter hoch gestaltete sich folgendermaßen: Ich packte mit beiden Händen eine Sprosse, zog mich ein Stückchen hoch und hüpfte. Das tat extrem weh, mit jedem Hüpfer mehr, und es dauerte und dauerte. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut zu schreien.
    Aber endlich lag das Fenster vor mir.
    Ich holte den Ziegel aus der Tasche und zerschmetterte die Scheibe.
    Schwarzer Rauch quoll aus dem Haus und erwischte mich beim Einatmen. Unter wildem Husten und Keuchen erhob ich so gut es ging die Stimme: „Mr. und Mrs. Willoughby, es brennt! Sie müssen fliehen. Feuer! Kommen Sie ans Fenster, hier steht eine Leiter!“
    Im Garten explodierte etwas – höchstwahrscheinlich die kleine Propangaskartusche auf Mrs. Spunklecriefs Grill. Es klang, als sei eine Wassermelone von der Größe eines Dinosauriers auf den Boden geknallt und geplatzt. Der Druck der Explosion schleuderte Mrs. S. zu Boden und riss mir die Leiter unter den Füßen weg.
    Ich fiel. Mit einem grässlichen Gefühl der Hilflosigkeit, denn obwohl ich versuchte, meinen Körper irgendwie halbwegs so zu verrenken, dass eine sichere Landung möglich war, wusste ich, dass mir das nicht gelingen konnte. Dazu ging alles zu schnell, ich hatte keinerlei Vorwarnung erhalten. Also krachte ich mit dem Kreuz auf die Ziegeleinfassung eines Beetes und erreichte ein neues persönliches Rekordhoch, was Schmerzen betraf.
    „Gott im Himmel!“ Mrs. Spunklecrief kniete sich neben mich. „Harry?“
    Von irgendwoher waren Sirenen zu hören. Zu spät für die Willoughbys, die Fahrzeuge würden nicht rechtzeitig eintreffen.
    „Sitzen in der Falle“, stieß ich keuchend hervor, sobald ich wieder atmen konnte. „Sie sind da oben und rufen um Hilfe.“
    Mrs. S. starrte zum Fenster hinauf, packte die Leiter und schaffte es unter großen Mühen, sie wieder in die richtige Position zu bringen. Vor Anstrengung schnaufend stellte sie einen Fuß auf die unterste Sprosse, verlagerte ihr Gewicht darauf – und fiel laut stöhnend zu Boden, als ihr Bein nachgab. „Grundgütiger Gott, so hilf uns doch bitte!“, schrie sie, fast von Sinnen vor Kummer und Schmerz.
    Da setzte ein junger Mann in einem dunklen, knielangen Mantel im Hechtsprung über die Hecke, die den Garten nach hinten eingrenzte, und war mit ein paar Sprüngen die Leiter hochgeklettert. Gebaut wie ein Footballprofi, schnell wie ein Sprinter hechtete er die Leiter hinauf, als handle es sich hier um einen breiten Treppenaufgang. Auf dem Weg nach oben warf mir der einzige noch amtierende Kreuzritter auf dem Planeten rasch noch ein Grinsen zu. „Dresden!“
    „Sanya“, klagte ich. „Zwei! Da oben sind zwei!“
    „Da, zwei!“, wiederholte er mit dunkler, lauter Stimme. An seiner Hüfte hing die gebogene Säbelklinge Esperacchius ’, aber das schien er gewohnt zu sein, jedenfalls ließ er sich von dem Schwert nicht behindern, als er durch das Fenster kletterte. Wenig später tauchte er wieder auf. Er hatte sich Mrs. Willoughby über die eine Schulter geworfen und stützte mit der anderen Hand Mr. Willoughbys bebenden, schwankenden Körper.
    Sanya kletterte mit der reglosen alten Frau über der Schulter als Erster die Leiter herunter. So konnte er Mr. Willoughby helfen, aus dem Fenster zu klettern und auch die Sprossen zu bewältigen. Langsam und vorsichtig kamen die drei die Leiter herunter, und Sanya hatte Mrs. Willoughby gerade ebenso langsam und vorsichtig auf das Gras gebettet, als der erste Rettungswagen eintraf.
    „Gott im Himmel“, sagte Mrs. S., die sich ihrer Tränen nicht schämte, und legte Sanya die Hand auf den Arm. „Er muss Sie uns geschickt haben, mein Sohn.“
    Sanya lächelte, während er Mr. Willoughby half, sich hinzulegen. Als er sich danach an Mrs. S. wandte, klang sein russischer Akzent deutlich weniger durch als bei unserer

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