Wandel
den gemieteten Wagen abholen wollte und feststellen musste, dass der aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht zu haben war. Zerknirscht hatten ihm die Leute von der Autovermietung als Entschädigung ohne Mehrpreis den Minivan angeboten. Wir schafften es, dem ganzen Wirrwarr zu entkommen, ehe die Bullen die Gegend absperren konnten. Bei der Abfahrt durfte ich dann durch das Rückfenster des Minivans zusehen, wie mein Heim gänzlich niederbrannte.
Die schwarze Rauchsäule war auch noch zu sehen, nachdem wir bereits ein Stück gefahren waren. Wie viel von diesem Rauch mochte wohl von meinen Büchern stammen? Von der Gitarre, die ich vor Jahren gebraucht gekauft hatte? Von meiner Kleidung, meinen bequemen alten Möbeln? Meinem Bett? Meinen Bettlaken? Meinem Micky-Maus-Wecker? Von der Ausstattung meines Labors, deren Anschaffung oder Erschaffung mich jahrelange Arbeit gekostet hatte? All die Mühe, die Konzentration, die Geduld und Zauberkraft …
Alles weg.
Feuer zerstörte nicht nur Materie, es zerstörte auch Spirituelles. Feuer war eine reinigende Kraft, die magische Energie verzehren oder auch in alle Himmelsrichtungen zerstreuen konnte. Ein Feuer dieser Größe zerstörte alles, was ich mir aufgebaut hatte, einschließlich rein magischer Konstruktionen.
Verdammt.
Verdammt, ich hasste Vampire.
Hinter mir lag ein verteufelt harter Tag, und praktisch das Einzige, was mir geblieben war, war mein Stolz. Ich wollte nicht, dass mich jemand weinen sah. Also verhielt ich mich da hinten im Minivan einfach nur still, während Mouse dicht neben mir lag.
Irgendwann wurde aus Kummer Schlaf.
***
Ich erwachte im Abstellraum von St. Mary of the Angels, wo Vater Forthill einige Feldbetten sowie das dazugehörige Bettzeug aufbewahrte. Hier war ich schon einige Male gewesen, denn St. Mary hatte sich als erstaunlich widerstandsfähige Bastion gegen übernatürliche Schurken so gut wie jeder Couleur erwiesen. Der Boden, auf dem die Kirche stand, war geweiht, ebenso alle Mauern, Türen, Böden und Fenster. Hier hatten Menschen so viel gebetet, hier hatten im Laufe der Jahrzehnte so viele feierliche Rituale, Messen und Abendmahlsfeiern stattgefunden, dass deren sanfte, positive Energie in jeden einzelnen Stein, in jede Ritze hatte dringen können.
Ich fühlte mich hier sicherer als anderswo, aber auch nur bis zu einem bestimmten Punkt. Klar, kein Vampir war in der Lage, einen Fuß auf geweihten Boden zu setzen, aber das wussten Typen wie die Eebs natürlich auch und konnten es in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Ein menschlicher Killer konnte genauso gefährlich werden wie ein Vampir, wenn nicht sogar gefährlicher, und als Auftragsmörder ließ man sich von der Schutzaura der Kirche bestimmt nicht beirren.
Außerdem konnten die beiden, wenn sie es ganz dringend auf mich abgesehen hatten, wahrscheinlich auch noch die Kirche um mich herum in Brand setzen. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie ich die nächsten hundert Jahre Vampiren aus dem Weg ging und von Zeit zu Zeit erleben durfte, wie mein Heim bis auf die Grundmauern niederbrannte.
Das kam auf keinen Fall in Frage, das würde ich nicht hinnehmen. Ich musste das Eebs-Problem lösen.
An diesem Punkt fielen mir meine Beine wieder ein. Ich streckte die Hand aus, um meine Hüfte zu berühren.
Es war, als berühre ich den Körper eines anderen Menschen: Ich spürte absolut nichts. Als ich die Beine bewegen wollte, geschah auch absolut nichts. Vielleicht war ich zu ehrgeizig gewesen – ich zog an der Decke, bis ich die Zehen sehen konnte und versuchte, mit ihnen zu wackeln. Nichts.
Unter mir spürte ich das Spineboard. Ich spürte auch die Bandage um meinen Kopf, die verhinderte, dass ich mich umsah. Frustriert gab ich die Sache mit den Beinen auf und hob die Augen zur Decke.
Dort klebte über meinem Kopf ein Stück Papier mit einer Nachricht in Mollys Handschrift, in großen Buchstaben mit schwarzem Filzstift geschrieben: „Harry, versuch nicht, aufzustehen oder deinen Hals oder den Rücken zu bewegen. Wir sehen mehrmals pro Stunde nach dir. Jemand wird bald da sein.“
In der Nähe brannte auf einem Klapptisch eine Kerze, ansonsten gab es kein Licht in dem Raum. Natürlich konnte ich nicht sagen, wie lange dieses Licht schon brannte, aber es schien sich um eine langlebige Kerze zu handeln, und sie war fast ganz heruntergebrannt. Ich atmete tief und gleichmäßig durch die Nase, wollte feststellen, ob mir ein paar der Gerüche, die ich erwischte, bekannt
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