Wandel
in der kühlen Oktobernacht verschwand.
Wenigstens eine sinnvolle Tat an diesem beschissenen Tag.
Ich wandte mich wieder dem Loch zu. Um dort hochzukommen, musste ich beide Arme hochstrecken und hüpfen, so gut es auf einem Bein ging. Ein Meistersprung wurde es nicht, aber ich schaffte es, beide Arme durch das Loch zu schieben und die Ellbogen seitlich an den Kanten zu verhaken. Dann stemmte und schlängelte ich mich irgendwie durch das Loch nach oben, hoch in Mrs. Spunklecriefs Wohnzimmer.
Sie hatte es in den Siebzigern das letzte Mal renovieren lassen, wollte man nach dem senfgelben Teppich und der olivgrünen Tapete gehen. Das Wohnzimmer stand voller Möbel und Plunder: Als ich mich hochzog, stieß ich prompt ein kleines Regal voller Sammelteller um. Ich packte meine Krücke, biss die Zähne zusammen, bis ich auf den Beinen stand, und humpelte tiefer in die von den knisternden Flammen draußen schwach beleuchtete Wohnung hinein.
Mrs. S. fand ich im einzigen Schlafzimmer. Der hochbetagte Fernseher lief noch, ohne Ton, dafür mit Untertiteln, die alte Dame schlief auf einen Riesenberg Kissen gestützt, halb im Sitzen. Ich humpelte zum Bett und schüttelte sie sanft an der Schulter.
Sie schreckte hoch – und schlug mit einer kleinen Faust nach mir. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich fiel und landete mit schmerzverzerrtem Gesicht auf meinem Hinterteil. Wobei ich betonen möchte, dass mein kaputtes Bein mich vor Schmerz aufstöhnen ließ, nicht der Fausthieb. Als es mir gelungen war, eine gewisse Benommenheit abzuschütteln, sah ich die zarte alte Dame eine kleine Schusswaffe auf mich richten, wahrscheinlich Kaliber .38. Sie hielt sie so, als wüsste sie, was sie tat: mit beiden Händen, den Blick über das Visier auf mich geheftet.
„Mr. Dresden“, sagte sie kieksend. „Wie können Sie es wagen!“
„Feuer“, sagte ich. „Mrs. S., es brennt. Feuer!“
„Nun, wenn Sie einfach stillsitzen, feuere ich nicht“, sagte sie quengelig. Ihre Linke ließ die Pistole los und tastete nach dem Telefon. „Ich rufe die Polizei. Sie halten fein still, sonst erschieße ich Sie. Das ist kein Bluff. Diese Pistole unterliegt dem Bestandschutz, sie ist völlig legal.“
Ich versuchte, hektisch mit Kinn und Fingerspitzen auf die Schlafzimmertür zu deuten, ohne mich dabei groß zu bewegen.
„Nehmen Sie etwa Drogen, Junge?“ Mrs. S. tippte Zahlen ins Telefon, ohne hinzusehen. „Sie kommen mir vor wie ein durchgeknallter Junkie. Kommen hier einfach ins Schlafzimmer einer alten Frau!“ Sie ließ mich nicht aus den Augen – dabei flackerte draußen im Flur schon helles Licht.
Ich wackelte weiterhin verzweifelt mit Kinn und Fingern, und endlich tat mir die alte Dame den Gefallen: Sie sah zur Tür.
Der Kiefer klappte ihr runter, ihre Augen wurden riesengroß. „Feuer!“, rief sie. „Da draußen brennt es.“
Ich nickte wie irre.
Sie senkte die Pistole und strampelte heftig gegen Bettdecken und Kissen an. Obwohl sie einen dicken Flanellpyjama trug, schnappte sie sich auch noch ihren himmelblauen Bademantel. „Kommen Sie, Junge, es brennt!“
Mühsam rappelte ich mich auf und hinkte Richtung Flur. Mrs. S. war schneller als ich – als ihr das klar wurde, wandte sie sich erstaunt zu mir um. Inzwischen konnte man das Feuer auch hören, dicker Rauch lag in der Luft.
Ich wies auf die Zimmerdecke und schrie: „Die Willoughbys! Die Willoughbys, Willoughbys!”
Mrs. S. warf einen Blick nach oben. „Grundgütiger!“ Sie eilte den Flur hinunter, wobei sie sich bis auf drei Metern einer Wand näherte, die sich bereits in eine Feuerwand verwandelt hatte, griff nach etwas, ließ es fallen, weil es wohl schon zu heiß war, zog ihre Hand fluchend zurück, umwickelte sie mit dem Bademantel und hob das, was sie fallen gelassen hatte, auf. Mit einem Schlüsselbund in der Hand kam sie zu mir zurück. „Kommen Sie! Die Vordertür steht schon in Flammen, wir müssen hinten raus.“
Wir stürzten zur Hintertür hinaus. Die gesamte Vorderfront des Hauses stand bereits in hellen Flammen.
Die Treppe hinauf zur Wohnung der Willoughbys hatte sich in ein einziges Flammenmeer verwandelt.
„Leiter!“, schrie ich. „Wo ist die Leiter? Ich brauche eine Leiter!“
„Nein“, schrie sie zurück. „Sie brauchen eine Leiter!“
Gute Güte.
„Genau!“ Ich streckte ihr den hochgereckten Daumen hin.
Flink wie ein Wiesel huschte sie zum kleinen Schuppen im rückwärtigen Garten, wählte einen Schlüssel aus dem Bund und schloss
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