Wandel
mit Grübeleien über ein dämliches Buch, in dem die Welt schwarzweiß war und es dazwischen verdammt wenig gab, was als grau durchgehen konnte? Wo man nach zwei Sekunden draufhatte, wer die Guten und wer die Bösen waren?
Gut und Böse interessierten mich nicht im Geringsten. Ich wollte nur mein kleines Mädchen in Sicherheit wissen.
Es war völlig egal, wen von der Gemeinschaft ich angeblich verkörperte. Solange ich Maggie sicher nach Hause bringen durfte.
Ich zog mir die Kapuze meines dunklen Umhangs über den Kopf, nahm meinen Beutel und verließ Vater Forthills Kirche. Draußen wartete die Limousine meiner Patin, der manchmal guten, manchmal bösen Fee.
Wenigstens reiste ich in großem Stil – auch wenn ich auf dem Weg in die Hölle sein mochte.
40. Kapitel
W ir passten bequem in die Limousine, die gewachsen zu sein schien. Ich war mir jedenfalls ziemlich sicher, dass sie zuvor an den Seiten noch keine Sitzreihen gehabt hatte … egal: Wir saßen nicht allzu gedrängt, als Glenmael sich in den Verkehr von Chicago stürzte.
„Ich bin ja immer noch für einen Frontalangriff“, sagte Sanya.
„Ein dummer und tendenziell selbstmörderischer Vorschlag.“ Martins Stimme triefte vor Verachtung.
Sanya ließ sich nicht beirren. „Erprobte Überraschungstaktik. Die Roten rechnen bestimmt nicht mit einem Angriff an diesem Ort, wo sie seit tausend Jahren niemand mehr herausgefordert hat. Harry? Was sagst du?“
Plötzlich ertönte aus keiner erkennbaren Quelle die Stimme Ebenezar McCoys. „Wo hast du gesteckt, du verfluchter Dickschädel?“
Eine Sekunde lang ließ mich der Schock erstarren. Hektisch sah ich mich um, aber im Innern der Limousine schien außer meiner Patin niemand etwas mitbekommen zu haben: Lea verdrehte gerade leise seufzend die Augen.
Richtig: die sprechenden Steine. Meiner steckte im Beutel, den ich jetzt auf dem Schoß hielt und durch meine Körpertemperatur ausreichend erwärmt hatte. Jedenfalls funktionierte er. Kürzere Botschaften konnte man durch die Steine auch schicken, ohne vorher, wie mein Mentor und ich es zu Beginn dieses ganzen Schlamassels getan hatten, eine klare Verbindung herzustellen.
„Zur Hölle mir dir, Hoss!“, knurrte Ebenezar. „Melde dich gefälligst!“
Mein Blick glitt zwischen Sanya und meiner Patin hin und her. „Entschuldigt ihr mich? Ich muss einen Anruf entgegennehmen.“
Sanya sah mich erstaunt an. Thomas und Murphy wechselten vielsagende Blicke.
„Ach, seid still!“, herrschte ich sie wütend an. „Das ist Magie, kapiert?“
Ich fummelte mit geschlossenen Augen im Beutel herum, bis ich den Stein gefunden hatte. Es war nicht notwendig, bei dieser Unterhaltung in meinem exotischen Kostüm aufzutauchen, also dachte ich einen Augenblick ganz intensiv an meinen rein physikalischen Körper, wobei ich mich auf meine Glieder und die Haut konzentrierte. Sofort formten meine Gedanken völlig normale Kleidung dazu.
„So wahr mir Gott helfe, Junge, wenn du jetzt …“
Vor meinem geistigen Auge tauchte Ebenezar auf, in Latzhose und T-Shirt wie immer. Sein Gesicht wurde bleich, als er mich sah. „Hoss? Alles in Ordnung?“
„Kann man so nicht sagen“, meinte ich. „Ich stecke mitten in einer Sache. Was wollen Sie?“
„Deine Abwesenheit im Konklave kam nicht gut an“, antwortete Ebenezar in scharfem Ton. „Es gibt im Grauen Rat Leute, die der Ansicht sind, man könne dir nicht trauen. Sie sind sehr, sehr vorsichtig geworden, was dich betrifft. Sie interpretieren dein Fernbleiben als klare Ansage: Entweder respektierst du unsere Arbeit nicht genug, um dich zu einer so wichtigen Sitzung zu bequemen, oder du besitzt weder die nötige Weisheit noch die seelische Stärke, dich ganz unserer Sache zu verschreiben.“
„Ich habe noch nie verstanden, was es bringt, die eigenen Leute unter Druck zu setzen“, sagte ich. „Ich suche nach einem kleinen Mädchen, Sir. Sobald ich sie sicher heimgebracht habe, spiele ich gern wieder mit Ihnen und den anderen Ratspolitik. Falls Sie das dann überhaupt noch wollen.“
„Wir brauchen dich hier.“
„Das Kind braucht mich mehr. Das mag nicht ganz so nobel sein wie der Versuch, den gesamten Weißen Rat vor seiner eigenen Blödheit zu schützen, soweit ist mir das schon klar. Aber, bei Gott: Ich werde dieses Kind heil da rausholen und in Sicherheit bringen.“
Ebenezars überwiegend kahler Schädel lief hochrot an. „Trotz meiner anderslautenden Befehle.“
„Wir sind keine Armee, und Sie sind nicht
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