Wandernde Welten
werden sie dann glauben, dir oder Machou?«
Auf der anderen Seite der Brücke trat Tanoujin einen Schritt in das überschwemmte Feld und versank sofort bis über die Knöchel im Schlamm. Paula verlangsamte ihre Schritte. Saba starrte vor sich auf den Boden und paßte sich ihrem Tempo an.
»Du kannst wirklich überzeugend reden.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Tanoujin, der sich jetzt bückte und in den Schlamm griff. »Er will sich dem Gericht stellen. Nicht weil er sich rechtfertigen will, sondern weil er Angst hat, das Geld zu verlieren, das er durch die Verträge einnimmt. Hast du das vielleicht auch von Anfang an einkalkuliert? Ich traue dir nicht, Paula. Du willst mich wieder verführen, wie damals im Ninive-Club.«
Sie antwortete nicht. Wenn Tanoujin gehen wollte, konnte sie auch Saba dazu überreden. »Was sind diese Ranken?« fragte sie.
»Rellah-Ranken.« Er trat an den Rand eines überfluteten Feldes und riß eine heraus. Dann durchbohrte er ihre dicke, dunkelgraue Haut mit der Kralle seines Zeigefingers. Ein heller Tropfen Saft trat heraus. »Wenn sie gut angegangen sind, werden sie auf Trok-kenfelder umgesetzt und an Stangen festgebunden. Anschließend wird ein Rohr in die Pflanze eingesetzt, mit der wir den Gul an-zapfen. Den Saft, meine ich. Das meiste Plastik, das wir im Stythischen Imperium verwenden, wird aus Rellah-Gul hergestellt.«
»Und wozu ist das Tuch auf dem Boden?«
»Rellahs sind empfindliche Geschöpfe. Sie müssen gegen die starke Bodenstrahlung geschützt werden, sonst würden sie verbrennen.«
Tanoujin holte sie ein. Bevor er sie erreichte, sah Paula bereits die Reflexion seiner langen Gestalt im Wasser.
»War mein Sohn mit seiner Arbeit fertig?« fragte er Paula.
»Ja.« Sie gingen den Weg entlang, der zu Tanoujins Haus führte. Saba warf seinem Lyo einen raschen Blick zu. »Willst du es wieder versuchen?«
Tanoujin nickte.
»Dann laß sie dabei zusehen.«
Paula hob den Kopf und blickte verwirrt von Saba zu Tanoujin.
»Es würde sie nur ängstigen«, sagte Tanoujin.
»Das macht nichts. Laß sie zusehen.«
»Wobei soll ich zusehen?« fragte Paula. »Was habt ihr vor?«
Tanoujin zuckte die Achseln. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet. »Wie du willst. Vielleicht lernt sie etwas dabei.«
Sie erreichten den Gebäudekomplex. Als sie in den Hof traten, kam Tanoujins jüngerer Sohn auf sie zu und übergab seinem Vater eine Nachricht. Paula und Saba traten ins Haus und gingen in Tanoujins kahles Zimmer.
Paula zog die Jacke aus. Sie hatte hier keine andere Frau gesehen. Selbst unter den Sklaven nicht.
»Wie war seine Frau?«
Saba ließ sich aufs Bett fallen und griff nach dem Skizzenblock mit den Entwürfen für sein neues Raumschiff. »Sehr hübsch war sie nicht. Kasuk sieht ihr ähnlich.« Er blätterte ein paar mit Skizzen bedeckte Seiten um. »Diamo war ziemlich starrköpfig.«
»Hat er sie geliebt?«
»Sie wollte ihn. Mehr als er sie wollte, glaube ich.«
Paula setzte sich auf eine Kiste, die an der Wand stand. »Wie ist sie gestorben?«
»Bei der Geburt ihres jüngsten Sohnes. Wir waren damals im Raum und konnten nicht rechtzeitig zurück sein. Die Hebammen haben sie regelrecht in Stücke gehackt.«
»Oh.« Sie ballte die Fäuste. Das konnte nicht hier passiert sein.
Damals hatte es Yekka überhaupt noch nicht gegeben. Sie erinnerte sich an die Wärme und das Wohlgefühl, das die Berührung von Tanoujins Händen tags zuvor bei ihr hervorgerufen hatte. So hatte er sie betäubt und sich gefügig gemacht. Er hatte sie berührt.
Tanoujin betrat das Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
Saba konzentrierte sich wieder auf seine Skizzen.
»Glaubst du, daß du mal ein paar Minuten nicht an dein Wunderschiff denken könntest?« Er trat zum Fenster und schloß die Läden.
Paula zog die Füße unter sich. Saba legte den Skizzenblock aus der Hand und stand auf. Tanoujin ließ sich auf das Bett fallen.
Saba blickte Paula an. »Meinst du, daß es klappen wird?« fragte er seinen Lyo.
»Ja. Der Baum ist weg. Jetzt können wir es tun.«
Sabas Blick war noch immer auf Paula gerichtet. »Sieh her.« Er strich seine Schnurrbartenden zurück, beugte sich über Tanoujin und küßte ihn auf den Mund.
Verwirrt blickte sie die beiden Männer an. Sie fühlte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten. Tanoujins Hand glitt vom Bett und hing kraftlos herab. Saba richtete sich auf. Er trat zwei Schritte zurück, taumelte und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu
Weitere Kostenlose Bücher