Wandernde Welten
Sie eigentlich für zu schlau gehalten, um in eine solche Falle zu gehen.«
Mit Fingernägeln und Zähnen versuchte sie seine Fesseln zu lösen. Hinter sich hörte sie Tanoujin sagen: »Ist er verletzt?« Seine Stimme klang verzerrt, als ob er Schmerzen hätte. Sie wandte den Kopf. Die Tür neben ihm stand offen, und Licht fiel auf sein Gesicht. Eine breite, tiefe Wunde hatte den Wangenknochen freigelegt. Aber sie heilte bereits. Während Paula ihn ansah, bildete sich neues Fleisch. Und sie sah keinen Blutstropfen.
»Nein«, sagte sie mit einem Blick auf Bunker. »Er ist nicht verletzt.«
Bunker befreite sich von den Fesseln, den Blick ständig auf Tanoujin gerichtet. Es roch nach Blut. Tanoujins Wunde war nur noch eine kaum sichtbare, graue Narbe in seinem schwarzen Gesicht. Sein rechtes Auge sah geschwollen aus, und er fuhr mit der Hand darüber. Er war völlig mit Blut besudelt. Aber nicht mit seinem eigenen.
»Wir müssen von hier verschwinden«, sagte Paula. »Aber in dem Zustand können Sie sich nicht auf der Straße blicken lassen.
Es muß hier doch irgendwo einen Waschraum geben.«
Sie fanden einen am Ende des Korridors. Als sie über die Schwelle traten, schaltete sich automatisch die Deckenbeleuchtung ein.
»Er kommt mit uns«, sagte Tanoujin. Paula suchte nach dem Dimmer und drehte die Lichter herunter.
»Wohin soll er mitkommen?«
»Zum Uranus«, sagte Tanoujin. Er schnallte den Gürtel ab, zog sein Hemd aus und drückte beides Paula in die Hände. Als er sich über das Waschbecken beugte, verhielt er ein paar Sekunden lang reglos, mit hängendem Kopf. Sie erkannte, daß er todmüde war.
Sie drehte die Innenseite des Hemdes nach außen, um die Blut-flecken zu verstecken. Bunker blickte von ihr zu Tanoujin.
»Ich denke nicht daran, zum Uranus zu gehen.«
»Sie sind ihr Freund.« Wasser floß ins Waschbecken, und Tanoujin schrubbte seine Hände. »Wenn sie nicht mitkommen, werde ich Sie töten.«
»Was ist mit General Gordon?« fragte Paula Dick Bunker.
Das Wasser rann rosafarben in den Abfluß. Tanoujin sagte:
»Mich interessiert nicht, was er sagt. Er weiß jetzt über mich Bescheid. Deshalb lasse ich ihn nicht gehen.«
Paula blickte über den gebeugten Rücken des Stythen hinweg zu Bunker. Er gab den Blick zurück. Tanoujin zog sein Hemd wieder an, und sie reichte ihm den Gürtel.
»Alles wieder in Ordnung?« fragte sie.
»Ja.« Er packte Bunker bei der Schulter und schob ihn aus dem Waschraum.
Sie gingen zur Station des Schienenbus. Ein Zug war gerade eingefahren. Sie gingen durch mehrere Abteile, bis sie eins fanden, das fast leer war. Am anderen Ende des Abteils saß ein Mann und las die letzte Ausgabe des stündlichen Nachrichtendienstes.
Tanoujin gähnte.
Bunker hob den Kopf. »Uber General Gordon«, sagte er und blickte an Tanoujin vorbei. »Nach Ihrem Zwischenfall im Orbit von Luna wurde er abgesetzt und ins Gefängnis gesperrt. Und das scheint ihn weich gemacht zu haben. Ein Journalist, der sich als Priester verkleidet hatte, verschaffte sich Zutritt zu seiner Zelle und überredete ihn, zu - beichten. Der falsche Priester nahm das ganze Gespräch mit einem Taschen-Recorder auf, und es gelang ihm, das Band aus Luna hinauszuschmuggeln.«
Tanoujin, der noch immer Bunkers Schulter umklammerte, wechselte den Griff zu seinem Handgelenk. »Reden Sie weiter.«
Bunker blickte in dem fast leeren Abteil umher. »Der Journalist verkaufte das Tonband einem Zeitungsverleger in London, der jedoch entschied, daß dieses Material zu explosiv sei, um einem breiten Publikum zugänglich gemacht zu werden. Er schickte das Tonband nach Luna zurück - an General Marak. Für einen Preis von dreieinhalb Millionen Dollar, zahlbar in Eisen. Und dann passierten diese merkwürdigen Unfälle: General Gordon bekam irgendwie einen elektrischen Schlag, der Journalist nahm eine Uberdosis Kokain, das Air-Car des Verlegers stürzte außerhalb des Doms ab, und die Luftverschmutzung tötete ihn.«
Tanoujin zupfte an seinen Schnurrbartenden. Er blinzelte nervös in dem hellen Licht. Paula beugte sich vor und blickte Bunker ins Gesicht. »Aber General Marak hat das Tonband.«
»Es soll sogar Kopien davon geben. Aber ich habe noch keine gesehen, und ich kenne auch niemanden, der eine dieser Kopien gesehen hat.«
Paula blickte zu dem Mann am anderen Ende des Abteils hinüber. Jetzt beobachtete er sie über den Rand seines Nachrichtenstreifens hinweg.
»Klingt interessant«, sagte Tanoujin und gähnte
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