Wandernde Welten
dar.
Der kleine Richter setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
»Ich möchte Ihnen ehrlich sagen, daß die Erfahrungen der letzten beiden Tage mein Wohlwollen gegenüber Ihren Leuten nicht gerade gestärkt hat.«
»Für den Uberfall auf das Büro des Komitees dürfen Sie uns nicht verantwortlich machen.« Sie deutete mit einem Kopfnicken auf die Holzschnitte. »Sind das Originale?«
»Ja«, sagte er. »>Uberfall< ist ein sehr suggestives Wort.«
Ihr Blick wanderte von den Bildern zu dem faltenlosen Gesicht des Richters. »Ja, es war ein Uberfall. Dick Bunker ist wegen einer gefälschten Ausweiskarte in dem Sektor festgenommen worden.
Er kann Ihnen erzählen, was passiert ist.« Sie ging in den Gerichtssaal zurück. Erstaunt sah sie, daß Saba in dem Sessel saß, den sein Lyo bisher benutzt hatte. Sie setzte sich in den anderen Sessel. Sogar während der Mittagspause waren Zuschauer zurückgeblieben.
»Wo bist du gewesen? Sicher nicht in der Kirche.«
»Ihr beiden schient mich nicht zu brauchen. Ist er sehr sauer auf mich?«
»Er ist dein Lyo, nicht meiner. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht.«
»Was ist heute passiert? Spielt er noch immer Akopra mit diesem kleinen Staatsanwalt?«
»Ja. Zumindest hier. Die wichtigen Ereignisse finden außerhalb des Gerichtssaals statt.« Sie berichtete ihm von dem Kampf im Büro des Komitees und General Gordons Beichte. »Wir tun einfach so, als ob wir das Tonband besäßen. Nur um Parine ein bißchen nervös zu machen.«
»Ein Kampf? Ist er verletzt worden?«
Nur vorübergehend.« Sie blickte an ihm vorbei zum Eingang.
»Da kommt er gerade.«
Tanoujin kam den Mittelgang herunter, seine Männer hinter sich. Das Pfeifen und die beleidigenden Zurufe der Menschen, die zu beiden Seiten des Gangs saßen, schien er überhaupt nicht zu hören. Er drückte die Schwingtür auf, blickte Saba wütend an und trat auf Paula zu, die in dem zweiten Sessel saß.
»Stehen Sie auf.«
Sie blieb sitzen, solange sie es wagte, und das waren knapp fünfzehn Sekunden. Dann erhob sie sich und überließ ihm den Sessel. Saba blickte in die andere Richtung. Während sie sich einen Stuhl an der Wand holte und ihn zwischen die beiden Sessel schob, trat Parine an der Spitze seiner Assistenten in den Saal. Die gelbe Weste glänzte im hellen Licht der Lampen, die hochhackigen Schuhe klapperten auf dem Kunststoffboden.
»Erheben Sie sich vor dem Gericht.«
Paula stand auf. Alle Anwesenden außer den Stythen erhoben sich ebenfalls. Plötzlich war auch Saba auf den Beinen. Er tippte Tanoujin auf die Schulter. »Steh auf. Ich bin ranghöher als du.«
Tanoujin warf ihm einen wütenden Blick zu. Dann stellte er die Füße auf den Boden und erhob sich ebenfalls.
Ein leises Murmeln lief durch die Reihen der Zuschauer. Ein paar von ihnen klatschten in die Hände. Wu-wei setzte sich auf seinen Platz. Sofort schoß Parine auf ihn zu.
»Euer Exzellenz. Dieses lächerliche Theater...«
Paula setzte sich. Sie blickte Saba an und sah, daß er lächelte.
Wu-wei sagte milde: »Mr. Parine, zuerst beschweren Sie sich, wenn sie nicht aufstehen, und jetzt paßt es Ihnen nicht, daß sie es tun. Gerichtsdiener, verlesen Sie die Anklageschrift.«
Die Frau im kurzen Kleid tat es. Paula sah, wie Tanoujins Krallen nervös über die gepolsterten Lehnen des Sessels kratzten. Saba murmelte: »Es ist verdammt heiß hier.«
»Stimmt«, sagte Tanoujin. »Sie haben die Heizung höhergedreht.«
Einer von Parines Assistenten, ein junger, blonder Mann, stand auf, ein Papier in der Hand. »Euer Exzellenz, angesichts gewisser Ereignisse möchten wir beantragen, die Verfahrensdauer um vierzundzwanzig Stunden zu verlängern.«
Die Zuschauer murmelten erregt. Tanoujin beugte sich vor.
Das Hemd klebte an seinem Rücken. »Damit Sie Ihre Lügen abändern können?«
Der Marsianer warf ihm einen feindseligen Blick zu, dann wandte er sich wieder an den Richter. »Euer Exzellenz, wir wollen.. .« Parine stürmte an ihm vorbei auf Tanoujin zu.
»Nach dem Gesetz steht uns eine dreimalige Verlängerung von je vierundzwanzig Stunden zu.« Er starrte den Stythen an, der nach wie vor in seinem Sessel saß. »Lernen Sie erst einmal die Gesetze, Schwarzer.«
»Vorsicht, mein Freund«, sagte Tanoujin ruhig und stand auf.
»Sie haben auf Ihr Verlängerungsrecht verzichtet, als sie den Antrag stellten, die Prozeßdauer zu limitieren.«
»Das mag bei Ihren Urwaldgesetzen vielleicht so sein«, sagte Parine. Sein Gesicht war krebsrot.
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