Wandernde Welten
Rätsel und keine ungelösten Fragen, sie machen mich nervös. Warum sind Sie nach Vribulo geflogen?«
»Es ist ein hübscher Ausflug.«
»Mein Vater hat mir sehr nachdrücklich den Auftrag gegeben, immer zu wissen, wo Sie sich aufhalten, zu jeder Stunde, zu jeder Minute.«
Sie preßte die Lippen zusammen. »Nun wissen Sie also, wo ich war. In Vribulo.«
»Zeigen Sie gefälligst etwas mehr Respekt«, fuhr er sie an.
Sie hob den Kopf. In dem doppelgeschossigen Haus hinter ihm bewegte sich ein Fensterladen. Jemand beobachtete sie. Dakkar setzte sich wieder in seinen Stuhl.
»Fragen Sie doch Ihren Bruder«, sagte sie. »Ich war die ganze Zeit mit ihm zusammen.«
»Mein Bruder«, sagte er verächtlich. »Wenn Sie es noch einmal wagen sollten, Matuko zu verlassen, sperre ich Sie ein.«
»Darf ich jetzt gehen - Akellar?«
»Gehen Sie.«
Sie ging durch Varyhus zu Sabas Haus zurück. Einer der drei Männer, die sie zu Dakkar gebracht hatten, folgte ihr, und er gab sich nicht die geringste Mühe, das zu verbergen. Auf dem kleinen Markt zwischen Varyhus und dem See-Bezirk trat sie an einen Stand und kaufte sich ein Glas Wasser. Der Sklave hinter der Theke erkannte sie.
»Wieder beim Spionieren, Nigger?« sagte er höhnisch.
»Schnüffeln Sie wieder für die Schwarzen?« Sie warf eine Münze auf die Theke und den Pappbecher auf die Straße und ging wortlos fort.
Einige Wachen vergingen. Uly und David verbrauchten ihre ganze Energie. Uly war sexuell nicht nur hungrig, sondern ausgesprochen gefräßig, und ihre ständigen Forderungen ließen Paulas Gefühle für sie sehr rasch abklingen. Immer wieder nahm sie sich vor, mit dieser Affäre endlich und endgültig Schluß zu machen, doch jedes Mal entschloß sie sich, damit bis nach Sabas Rückkehr zu warten. Seine Anwesenheit würde die unvermeidbare Explosion ein wenig dämpfen. David prügelte sich auf den Straßen und auf dem Hof mit seinen Brüdern und mit anderen Jungen. Er kam immer zerkratzt und angeschlagen nach Hause.
Sie fragte sich, ob er von ihr und Uly wußte. Eines Tages, ohne jede Vorwarnung, ließ Dakkar sie wieder zum anderen Ende der Stadt holen.
Er saß auf demselben Stuhl, auf dem sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, als ob er sich zwanzig Wachen lang überhaupt nicht weggerührt hätte. Als sie vor ihm stand, sagte er: »Vor zwei Wachen hat ein Pack von Sklaven in Varyhus einen alten Mann ermordet. Was wissen Sie darüber?«
»Nichts«, sagte sie scharf.
»Kennen Sie dieses Stück Dreck?« Er streckte die Hand aus, und ein Mann, der neben ihm stand, reichte Paula ein Hologramm. Er zeigte einen Mann mit einem blassen, nichtssagenden Gesicht.
»Nein. Den habe ich noch nie gesehen.«
Sie gab das Hologramm seinem Adjutanten, oder was immer er sein mochte, zurück. Sabas Sohn blickte sie finster an. »Lügen würden Ihnen wenig nützen.«
Sie preßte die Lippen zusammen. »Ich lüge nicht.«
»Dieses Dreckstück und ein Pack anderer haben einen alten Mann zu Tode getrampelt und geschlagen. Sie sind beobachtet worden, als Sie am Varyhus Markt mit diesem Sklaven gesprochen haben.«
»Oh, der Wasserverkäufer«, erinnerte sie sich. »Ich weiß gar nichts über ihn.«
»Es gibt eine halbe Million Sklaven in Matuko, und Sie behaupten, daß es reiner Zufall war, wenn Sie ausgerechnet mit diesem gesprochen haben?«
»Wenn Sie mal mit den Sklaven reden würden«, sagte sie ärgerlich, »würden Sie feststellen, daß sie mich genausowenig mögen wie Sie. Warum lassen Sie mich nicht in Ruhe?«
»Ich könnte Sie zum Reden zwingen«, sagte er. Mit einer Handbewegung wies er seine Männer an, sie hinter den Bilyobio-Baum zu bringen. Unsicher blickte sie Sabas Sohn an, der ein Dokument unterzeichnete und ein Schriftstück las. Er würde nicht wagen, sie zu foltern, oder ihr auch nur mit der Folter zu drohen.
Kurz darauf brachten zwei andere Männer Pedasen in den Hof. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie biß sich auf die Unterlippe.
»Bringt sie ins Haus«, sagte Dakkar.
Stunden später kam sie in ihr Haus zurück, warf sich auf das Bett und weinte. Als sie keine Tränen mehr hatte, drehte sie sich auf den Rücken. David stand am Fußende des Bettes. Sie richtete sich auf.
»Habe ich dich aufgeweckt?« Sie wischte sich mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht. Ihre Stimme klang heiser.
»Wo bist du gewesen?« Er kletterte auf das Fußende des Bettes.
Das alte, weiße Nachthemd, das er trug, war früher Sabas gewesen, und es war schmutzig.
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