Wandernde Welten
anbahnte.
»Ich wünschte, mir fiele etwas ein, womit ich dich überraschen könnte«, sagte er, zog sein Hemd aus und legte sich neben sie. Sie nahm ihn in die Arme.
Sie zitterte vor Kälte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, die Hände tief in den Taschen von An Chus Mantel gegraben. Seit drei Stunden stand sie jetzt Schlange und war erst auf dem halben Weg zur Tür. Auf dem Gehsteig lagen weggeworfene Exemplare des Stündlichen Nachrichtendienstes.
STREIK IN JOHANNESBURG BEENDET
PRODUKTION IM JANUAR UM 18% ANGESTIEGEN
LEICHTE KÄMPFE BEI DEN ASTEROIDEN
SAVENIA FEIERT IHREN GEBURTSTAG
Sie schaukelte auf ihren Absätzen vor und zurück. Auf der anderen Seite der Plaza befand sich das Regierungsgebäude, in dem sie gefangengehalten worden war. An der Fassade, über dem Eingang, hing ein großes Verbrüderungs-Poster, drei Stockwerke hoch. Es zeigte eine weiße Hand, die eine braune Hand drückte.
Sie fragte sich, was sie mit Srils Leiche getan hatten. Wahrscheinlich auf den Müll geworden, zum Fraß für Krähen und Ratten. Jedesmal, wenn sie hier Schlange stand, sah sie Marsianer, die sie kannte, in dem Gebäude ein- und ausgehen. Einmal ging General Hanse nur fünfzig Meter entfernt an ihr vorbei. Sie hatte ihr Gesicht hinter ihrem Nachrichtenblatt versteckt.
LEICHTE KÄMPFE BEI DEN ASTEROIDEN
KOMBINIERTE STREITKRÄFTE HABEN IN EINEM DREI-STÜNDIGEN GEFECHT BEI VESTA DREI STYTHISCHE
KREUZER VERNICHTET.
Die Menschen um sie herum rieben sich die rotgefrorenen Wangen und atmeten weiße Dampf wölken aus. »Warum dauert das so lange?«
»Letzte Woche habe ich fünf Stunden beim Friseur warten müssen.«
Paula lehnte sich an die Hauswand. Unendlich langsam bewegte sich die Menschenschlange auf die Tür des Einkaufszentrums zu. Wahrscheinlich überprüften sie heute jede Rationskarte mit einem Scanner. Diese neue Maßnahme hatte Bunker zunächst einige Kopfschmerzen bereitet. Bis er herausfand, daß sie für den Druck der Rationskarten dieselbe Druckerschwärze verwendeten wie für die Herstellung der Stündlichen Nachrichtendienste - und sie hatten eine Verbindung zu den Druckern. Ein kleiner Trupp marsianischer Soldaten marschierte an der langen Reihe der Wartenden entlang. Sie trugen ihre dunkelrote Winteruniform und weiße Handschuhe.
»Halt!«
Paula zuckte zusammen. Der Trupp hielt unmittelbar neben ihr. Der Sergeant oder Offizier, der sie führte, brüllte ein Kommando. Die Soldaten machten rechts um und standen nun mit den Gesichtern zu der Menschenschlange. Jetzt trat einer von ihnen vor und hob eine blau-weiße Flagge.
»Dies ist die Flagge der Marsianischen Republik, und jetzt auch die Flagge der Erde. Sie repräsentiert uns alle - unsere Solidarität gegenüber unseren Feinden, unseren Glauben an uns selbst und an unsere Zukunft.«
Der Offizier nahm Haltung an und grüßte die Flagge.
»Grüßen Sie die Flagge.«
Paula drückte sich an die Wand. Ihr Herz klopfte erregt. Sie blickte die Menschenreihe entlang. Ein grauhaariger Mann, der vor ihr stand, wandte sich um und sagte: »Was soll denn der Quatsch?«
Die Soldaten, an ihrer Spitze der Offizier und der Mann mit der blau-weißen Flagge, traten auf die Schlange zu.
»Grüßen Sie die Flagge.«
Paula krampfte die Hände zusammen.
»Grüßen Sie die Flagge!«
»Warum?« fragte eine Frauenstimme.
»Sie ist Anarchistin. Nehmt sie fest.«
Paula brach aus der Reihe aus und rannte an ihr entlang, weg von den Soldaten. Jemand schrie etwas. Sie lief dicht an der Menschenreihe entlang. Sie würden nicht schießen, wenn sie andere damit gefährdeten. Eine Hand griff nach ihr. Sie wich ihr aus. Sie glitt auf einem Nachrichtenblatt aus und stürzte zu Boden. Eine Kugel schwirrte über sie hinweg. Menschen schrien. Wieder hörte sie das Surren einer Kugel. Sie hetzte um die Hausecke. Irgend etwas traf sie wie ein Hammer und riß sie zu Boden. Sie sprang auf und lief weiter. Irgendwo hinter ihr schrien Menschen. Ihre Hüfte begann zu schmerzen. Durch das Geschrei der Menschen hörte sie das Krachen von Schüssen.
Sie hetzte über das verwüstete Land.
Etwas später wurde in ihrem Haus eine Razzia durchgeführt.
Paula, Bunker, Willie und An Chu hockten mehrere Stunden lang im Tunnel. Es war eisig kalt. Paula legte ihre Wange an Bunkers Schulter und schloß die Augen. Einmal hörten sie Jennie Morrison schreien. Endlich, kurz vor Morgengrauen, zogen die Soldaten wieder ab, und sie konnten in ihren Geheimraum zurückkehren.
Jennie war
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