Wandernde Welten
Paula die Abfalltonnen vor dem Nikolas Building durchwühlte, hörte siejemanden ihren Namen rufen. Sie stürzte davon.
»Warte!
Zwanzig Schritte entfernt, an der Ecke des Gebäudes, blieb sie stehen und blickte zurück, bereit, sofort weiterzufliehen. Sie sah eine Frau, die ihr zuwinkte.
»An Chu.« Sie machte einen Schritt auf sie zu. Vielleicht war es eine Falle. Uber das Gesicht der Frau breitete sich ein Lächeln und sie streckte die Hände aus. Paula lief auf sie zu.
»Ich wußte, daß du es warst. Jennie sagte etwas von einer Frau mit kupferfarbenem Haar.«
Paula drückte sie an sich und vergrub das Gesicht in dem blau-schwarzen Haar An Chus. Sie hatte plötzlich einen Kloß in der Kehle und konnte kein Wort herausbringen. An Chu sagte dicht an ihrem Ohr: »Wir haben dich überall gesucht. Willie glaubte dich einmal gesehen zu haben...« An Chu drückte sie fest an sich, einen Arm um ihre Schulter gelegt, den anderen um die Hüfte.
»Wo wohnst du?«
Paula trat einen Schritt zurück. »Im Süden des Doms.«
»Im Freien?« An Chu nahm ihre Hände. »Hast du Hunger?«
»Hunger ist gar kein Ausdruck.«
»Komm mit.«
Paula folgte ihr an der Rückfront des Gebäudes entlang, aber An Chu ging nicht hinein. Sie hakte bei Paula unter. »Die stündlichen Nachrichtendienste haben dich für tot erklärt.« Sie preßte Paulas Arm und lächelte. »Die Drachenlady der Stythen sei tot, schrieben sie. Ich habe das Zeug mitgenommen und allen Menschen, die ich kenne, erklärt, wer du wirklich bist.« Sie gingen am Ende des Gebäudes vorbei. Der Abend war warm. Moskitos summten um Paulas Gesicht. Hoch über ihnen sah sie die blinkenden Lichter eines Air-Car. An Chu warf einen raschen Blick nach oben und zog Paula nach links.
»Wohnst du nicht hier?« fragte Paula.
»Ja. Wir leben zu dritt, Jennie, Willie und ich. Jennie ist die einzige, die offiziell hier wohnt. Man bekommt keine Wohnung, wenn man keine Arbeitskarte hat, und man bekommt keine Arbeitskarte, wenn man nicht arbeitet. Bei einem Generalstreik ist das nicht so einfach. Jennie arbeitet bei der Dominstandhaltungsmannschaft. Wir haben entschieden, daß sie das darf, da der Dom für uns genau so wichtig ist wie für die Marsianer.« Sie blickte zum Himmel hinauf. »Es ist fort. Beeil dich.« Sie bückte sich und hob einen runden Grassoden aus dem Rasen. Er war die Tarnung eines Lukedeckels. Paula glitt in das Lock, das An Chu freigelegt hatte. Sie rutschte einen schrägen, völlig dunklen Tunnel hinab.
Die Wände bestanden aus feuchtem Boden, und einmal peitschte ihr eine Wurzel ins Gesicht. Am unteren Ende der Rutschbahn stießen ihre Füße gegen eine Plastikwand. An Chu kam ihr nach.
Sie griff über Paulas Schulter und klopfte an die Wand. Sie glitt auf. Paula kletterte in einen langgestreckten Raum, der neben der Wand eines unterirdischen Gebäudes in den Boden gegraben worden war.
»Wer sind Sie?«
Paula blickte den ihr fremden blonden Mann an. An Chu kletterte herein. »Das ist Paula Mendoza. Ich habe dir doch gesagt, daß wir sie finden werden.«
Die einzigen Möbelstücke in dem Raum waren zwei Liegen an der gegenüberliegenden Wand und ein alter Schrank neben dem Eingang. An Chu öffnete die Schranktür und holte einen Laib Brot und ein Stück Käse heraus.
»Hier.« Sie reichte beides Paula. »Das ist Willie Luhan. Er ist mein Freund. Meiner und Jennies.«
Paula setzte sich auf den Rand einer Liege und biß in den Käse.
An Chu sagte zu dem blonden Mann: »Sie hat im Freien gelebt. Sie kann bei uns bleiben.«
»Ist mir recht«, sagte Willie Luhan.
»Ich bin nicht allein.« Paula riß ein Stück Brot ab und stopfte es in den Mund.
»Wer ist bei dir?« fragte An Chu und warf eine Haarsträhne zurück. Ihr Haar war viel länger, als Paula es in Erinnerung hatte.
»Dick Bunker. Er war Mitglied des Komitees.«
»Kennen wir nicht.«
»Ich kenne ihn«, sagte Paula.
An Chu blickte ihren Freund an.
»Niemand kommt hier herein, den wir nicht kennen«, sagte Willie. »Das ist so ausgemacht. Wir müssen vorsichtig sein, verstehen Sie.«
Paula wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. »Dann bleibe ich draußen bei ihm.«
Die beiden anderen blickten einander an. Willie fuhr mit der Zunge über die Lippen. Sein Gesicht wirkte bedrückt. An Chu nickte Paula zu. »Bring ihn her.«
»Ich muß nach Vancouva«, sagte Bunker. »Gibt es da irgendeine Möglichkeit?«
»Tut mir leid.« Die Frau sprach mit marsianischem Akzent.
»Wenn Sie keine
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