Wandernde Welten
Narcolepta«, sagte das rothaarige Mädchen.
»Es wird während der nächsten zwanzig Stunden in sein Gefäßsystem eindringen. Bis dahin sind wir schon auf dem halben Wege zum Mars.«
Das Daumenschloß hatte die Form einer Acht. »Stellen Sie sich nicht zwischen ihn und mich«, sagte das rothaarige Mädchen warnend. »Und versuchen Sie nicht, den Pfeil herauszuziehen. Er ist ziemlich lang und mit Widerhaken besetzt. Beeilen Sie sich.«
Das Ende des durchsichtigen Pfeils ragte etwa drei Zoll aus Sabas Brust. Paula trat hinter ihn und kniete sich auf den Boden. Sie berührte seine Wange und seinen Hals. Die Haut war kühl, aber nicht kalt. Also war er wirklich nur bewußtlos.
»Sie kommen nie damit durch«, sagte Paula. »Sie werden uns alle drei töten, bevor sie ihn auf den Mars verschleppen lassen.«
»Das lassen Sie nur meine Sorge sein. Sie sollen ihn nur fesseln.«
Sein linker Arm lag unter ihm, sie zog ihn heraus. »Soll ich ihm die Hände auf den Rücken fesseln oder nach vorne?« Unbemerkt griff sie eine Handvoll Hemdenstoff und riß daran. Der Pfeil senkte sich ein wenig in ihre Richtung.
»Wie?«
»Haben Sie dieses Ding schon mal an Stythen ausprobiert?« fragte Paula. »Sie sind bedeutend kräftiger als wir. Und der hier besonders.«
Lores Augen wurden schmal. Ihre Wangen röteten sich. »Tun Sie nur, was ich Ihnen sage.« Sie bewegte die kleine Waffe hin und her. Der Lauf war dünn, nicht größer als ein Bleistift. »Wenn Sie mich ärgerlich machen, Lady, brauche ich nur abzudrücken, und Sie sind innerhalb von dreißig Sekunden tot.«
Es klopfte an die Tür. Das rothaarige Mädchen fuhr herum. Der Drücker bewegte sich ein paarmal auf und ab. Während Lores Blick auf die Tür gerichtet war, riß Paula einmal kurz an dem Pfeil in Sabas Brust. Er stak wirklich fest.
Es klopfte wieder. »Papa?«
»David«, rief sie angstvoll. »Komm später wieder. Wir haben zu tun.«
Als die marsianische Frau die sich entfernenden Schritte des Jungen hörte, wandte sie sich zufrieden um. »So ist es brav. Und jetzt beeilen Sie sich mit der Fessel. Die Arme auf den Rücken.«
Paula griff nach seinem rechten Arm und drehte ihn auf die Seite. Jetzt lag er mit dem Rücken zu Lore Smythe. Seine Haut kam ihr kühler vor, als sie seine Handgelenke berührte, der Puls merklich verlangsamt. Sie mußte sich beeilen.
»Seien Sie vorsichtig, wenn Sie ihn herumdrehen«, sagte die Marsianerin, »sonst jagen Sie ihm den Pfeil in die Lunge.«
Paula trat um ihn herum und kniete sich zwischen ihn und das rothaarige Mädchen. Als sie ihn langsam auf den Bauch wälzte, riß sie hart an seinem Hemd, um den Pfeil in ihre Richtung zu neigen. Als sie ihn losließ und er mit seinem vollen Gewicht auf den Glaspfeil fiel, hörte sie ein leises Splittern. Sie zog seine Arme auf den Rücken und fesselte sie mit der Daumenspange.
»Zurücktreten«, sagte Lore Smythe. Paula trat an die Wand.
Die Rothaarige stieß Saba mit dem Fuß an. »Jetzt sieht er nicht mehr so mächtig aus, wie?« Sie beugte sich über ihn und kontrollierte die Daumenspange. »Gut. Sie haben es richtig gemacht.«
»Das gehört zu meinen Lebensgrundsätzen«, sagte Paula und verschränkte die Arme vor der Brust, »entweder man macht eine Sache richtig, oder man macht sie gar nicht.«
»Sie halten sich wohl für sehr witzig, wie?« Sie trat Saba noch einmal. »Richtig hart.«
»Ich muß zugeben, daß ich nicht so tapfer bin, ihn zu treten«, sagte Paula. »Besonders nicht, wenn er gefesselt und bewußtlos ist.« Die dünne Spur einer hellen Flüssigkeit rann unter Sabas Brust hervor. Sie zwang sich, nicht hinzusehen. »Sind Sie auch tapfer genug, mich zu treten?«
Lore wandte sich ihr zu, die Giftpistole auf ihr Gesicht gerichtet.
»Ich habe keine bestimmten Anweisungen über euch«, sagte sie.
»Ich soll euch nur ausschalten, so oder so. Ich kann mit euch alles tun, was ich will.« Sie trat auf Paula zu und zog eine zweite Daumenfessel aus ihrem Kleiderausschnitt. »Drehen Sie sich um.«
Paula gehorchte dem Befehl. »Sie kommen niemals lebend aus diesem Raum heraus. Geben Sie lieber auf.«
Die schweißigen Hände des Mädchens rissen ihr die Arme auf den Rücken.
»Spätestens jetzt wissen sie alles, was hier vorgeht«, sagte Paula.
Lore Smythe fesselte Paulas Daumen zusammen. Sie stöhnte vor Anstrengung, und an dem Ton ihres Stöhnens hörte Paula, daß sie im Moment die Waffe zwischen den Zähnen hielt.
»Alle Räume haben Abhöranlageft«, sagte
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