Wandernde Welten
eine Gemeinheit.« Paula setzte sich auf das Ende der Couch.
»Wieso? Sie ist jetzt vollkommen glücklich. Sie braucht nicht mehr zu denken, sie hat keine Sorgen, sie hat keine Angst. Sie steht jetzt auf der richtigen Seite, das ist alles, was für sie zählt.«
»Und wie lange bleibt sie in dem Zustand, wenn du nicht da bist?« fragte Saba.
»Ich bin immer da. In ihrem Gehirn.«
Paula fuhr mit der Hand über ihr Gesicht. »Ist denn noch ein Rest Verstand in ihr zurückgeblieben?« Sie war froh, daß David die Szene nicht miterlebt hatte.
»Sie hat ihren Verstand ohnehin nicht sehr viel gebraucht. Sie hat immer getan, was man ihr gesagt hat. Deshalb war es auch so leicht, sie zu...« - Tanoujin schloß seine gelben Augen - »... sie umzuerziehen.«
Saba ging im Raum auf und ab. »Ich sehe noch immer nicht ein, wie sie uns nützen kann.« Er trat an das Sonnenmodell. Paulas Blicke folgten ihm. Er hatte keine Angst vor Tanoujin. Sein Haar war eisengrau geworden. Er sah müde aus.
»Außerdem«, sagte Tanoujin, an Paula gewandt, »ist sie eine Frau. Ihre Primärfunktion ist bei ihr sehr viel tiefer als im Gehirn gelagert.«
»Sie war als Frau nie besonders.«
»Weil sie nicht so ist wie Sie, mit dieser Guillotine zwischen den Beinen?«
Saba fuhr herum. »Verdammt, jetzt habe ich aber genug von deiner Dreckschnauze. Du bist entlassen.«
»Saba, ich...«
»Verschwinde.«
Tanoujins lange Beine trugen ihn rasch aus dem Zimmer. Paula atmete auf. Saba trat langsam auf sie zu.
»Ich habe das Gefühl, daß du mir ausweichst«, sagte Paula.
Er ließ sich auf die Couch fallen und streckte die Beine aus.
»Hast du denn meine Gesellschaft vermißt?«
»Nein. Warum hast du David gesagt, ich sei verrückt? Erzähle ihm doch mal, daß du mich zur Begrüßung erst einmal vergewaltigt hast. Wie paßt denn das in deine ständigen Lektionen über die Ehre?«
»Du hast damit angefangen.«
Sie blickte in sein Gesicht. Sie wußte nicht mehr, ob sie ihn in die linke oder in die rechte Wange gebissen hatte. Die Wunde war geheilt, ohne daß eine Narbe zurückgeblieben war. Tanoujins Werk.
»Hör zu, Paula«, sagte er. »Du mußt mir helfen.«
»Dir helfen?« sagte sie überrascht. »Wobei denn?«
»Bei diesem Newrose.«
»So? Soll ich ihn festhalten, damit du ihn verprügeln kannst?«
»Verdammt, ich bitte dich um deine Hilfe. Warum stellst du dich ständig gegen mich?«
»Bah!«
»Ich weiß, daß ich dich nicht mehr interessiere. Aber vielleicht solltest du es für Vida tun. Du willst doch nicht, daß er getötet wird, oder?«
»Warum hast du ihn überhaupt mitgebracht? Er ist doch noch viel zu jung für solche Unternehmen.«
»Er wollte unbedingt mit. Als wir herausfanden, daß du noch am Leben bist, wollte er dir zu Hilfe kommen.«
Sie ballte die Fäuste. Sie mußte ruhig bleiben und durfte sich nicht provozieren lassen, aber jedes Gespräch mit ihm stachelte ihre Wut an. Sie entspannte die Hände und verschränkte sie hinter dem Rücken. »Woher wußtet ihr denn, daß ich noch am Leben war?«
»Tanoujin hat von dir geträumt.«
»Und das hat dir gereicht? Obwohl wir so weit voneinander getrennt waren?«
Saba machte eine Geste mit der Hand. »Für ihn haben Zeit und Entfernung keinerlei Bedeutung. Es war während der Wache vor unserer Auseinandersetzung mit Machou. Er war zu allem bereit.«
Sie stellte sich den großen Raum mit der Kampfgrube vor, das Babel erregter Stimmen, den Gestank von Wut und Blut. Dies war ja nicht irgendein Kampf, sondern die Auseinandersetzung um das Primat. Saba saß auf der Couch und beobachtete sie. Er war zu groß für die Möbel, für den Raum. Er gehörte in seine kalte Stadt und nicht hierher. Aber er mußte hier bleiben, in Tanoujins Krieg, der eine Ewigkeit dauern konnte. Seine Schultern wirkten so breit wie die Tür. Sie mußte verrückt gewesen sein, als sie ihn angriff. Er hätte sie mit einer Hand umbringen können.
»Gefällt es dir, Prima-Akellar zu sein?«
»Ich fange an, mich daran zu gewöhnen.«
»Ich verstehe noch immer nicht, wie ich dir helfen soll.«
»Verhandle du an meiner Stelle mit Newrose. Du bist der einzige Mensch, der die Marsianer gut kennt, und dem ich vertraue. Ich werde jedes vernünftige Friedensangebot akzeptieren.«
»Gib mir einen Beweis dafür.«
»Wie denn?«
»Wie viele Anarchisten sind da oben?« Sie deutete zur Decke, meinte aber den Orbit. Ein Dutzend oder mehr Schiffe mit Gefangenen befanden sich in der Umlaufbahn um Luna.
»Das
Weitere Kostenlose Bücher