Wanderungen durch die Mark Brandenburg
eigentlich alles Kommando auf. Wir hatten die junge französische Garde samt einem Marinebataillon unter Marmont gegen uns, und im weiteren Vordringen, unter unbarmherzigem Kleingewehr- und Kartäschtfeuer, waren wir ihren Kolonnen häufig ganz nah auf den Leib gerückt. Sie wichen in größter Ordnung zurück, immer nur um wieder Front zu machen. So standen die Dinge, als plötzlich eines der diesseitigen, übrigens nicht unserem Regimente zugehörigen Bataillone kehrtmachte, wodurch die Nachbarbataillone mit zurückgerissen wurden. Die Intervallen gingen verloren, die Treffen vermischten sich, und war dies ein für die Offiziere aller Grade verzweiflungsvoller Augenblick. Da half kein Befehlen und Bitten, auch nicht, daß scharf drunter gefuchtelt wurde. Ich meinerseits ließ mich in meiner jugendlichen Ekstase zu einem Fußfall verleiten. Erfolgloses Bemühen! Einem sechzehnjährigen Tambour unseres 1. Bataillons war es endlich vorbehalten, die Ordnung wieder herzustellen. Er sprang aus dem verworrenen Knäuel heraus und schlug, ganz allein vorgehend und aus Leibeskräften, mit einem Trommelstocke den Sturmmarsch. Das half! Unser Bataillon machte Front und das verlorene Terrain ward um so leichter wiedergewonnen, als der Feind, in Befürchtung eines diesseitigen Kavallerieangriffs, überhaupt gar nicht gefolgt war. Major von Othegraven vom brandenburgischen Infanterieregiment (jetzt Nr. 12) hat diese Handlung des Tambours, unmittelbar nach der Schlacht, als Zeuge zur Sprache gebracht. Der Lohn des Tapferen war das Eiserne Kreuz. Seinen Namen habe ich vergessen, aber er selbst lebt in meiner Erinnerung als ein Hauptheld des Tages fort.
Mit dem Dunkelwerden war auf dieser Seite von Leipzig der Sieg erfochten und General von Horn ließ das Leibregiment einen großen Kreis schließen und einige Hautboisten: Nun danket alle Gott! blasen. Da die Brigaden ganz nahe beieinander standen und die Gewehre zusammengesetzt hatten, während es bei den Vortruppen immer noch knallte, so drängte sich alles zusammen, und ich werde den ungeheuren Eindruck nie vergessen, den es auf die Herzen aller Anwesenden hervorbrachte, als der General, nachdem das Lied verklungen war, sich mit uns allen auf die Knie warf und entblößten Hauptes ein lautloses Gebet verrichtete.
Das war ein freiwilliger Gottesdienst!
Nachdem die Biwaks für die Nacht bezogen waren, wurde Appell gehalten – ein trauriger Appell! Wir hatten wohl zwei Drittel unserer Leute eingebüßt. Unser vortrefflicher Regimentskommandeur, Major von Laurens, war, an der rechten Hand schwer verwundet, zurückgebracht worden. Major von Pfindel, ein lustiger mitten in der Schlacht singender Stabsoffizier, war zum Tode getroffen und starb bald nachher in Halle.
Am Biwaksfeuer wurde verzehrt, was jeder bei sich führte. Dann ruhte ich ungestört bis zur Reveille, wobei mir und einem anderen Kameraden der halbnackte Leichnam eines französischen Offiziers als Kopfkissen diente.
Der Morgen des 17. Oktober war regnicht und kalt. Jeder Lebende und Gesunde freute sich aber dankend seines Daseins, und das Frühstück – schwarzer Kaffee mit Rum – mundete herrlich. Das halb verschimmelte Kommißbrot schmeckte wie Marzipan.
Der alte Hünerbein ging mit uns auf dem nahegelegenen Schlachtfeldterrain umher und wendete mit seinem Krückstock die schon ihrer Kleider beraubten Leichen von Freund und Feind um, wenn sie, wie gewöhnlich, auf dem Bauche lagen und mit ihren Zähnen ins Gras gebissen hatten. Und hier war es auch, wo wir die erschütternde Szene erlebten, daß unser Premierleutnant von Kessel seinen getöteten Bruder vom brandenburgischen Regiment erkannte und ihn durch Soldaten unseres I. Bataillons in ein Grab verscharren ließ.«
So Oberst Goßler über den »Tag von Möckern«, den er als junger Offizier mitgemacht hatte.
Die Verluste waren enorm, selbst die von Vionville und St. Privat verschwinden daneben. Sie stellten sich, wie folgt: 1. Bataillon, 415 Mann stark, verlor 235; 2. Bataillon, 513 Mann stark, verlor 387; 3. Bataillon, 389 Mann stark, verlor 136. Gesamtverlust, einschließlich von 15 freiwilligen Jägern, 773 Mann. Dazu 12 Offiziere. Major von Laurens (schwer verwundet) erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Nur 559 Mann stark zog unser Regiment dem Rheine zu. Es wuchs aber unterwegs.
Das 12. Reserve-Infanterieregiment
1814
Der Rheinübergang
in der Nacht zum 1. Januar
In der Silvesternacht, scharf auf der Scheide der beiden
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