Wanderungen durch die Mark Brandenburg
entwässerte Land abgaben- und mühelos zu Füßen gelegt hätte, doch nach Art solcher Leute, nur über den Verlust ihrer alten Erwerbsquellen (Heumahd und Fischerei) geklagt haben würden. Der König verfuhr also anders. Er hatte durch seine Mittel das Land gewonnen und verteilte das Gewonnene nach seinem Belieben. Einen wesentlichen Teil behielt er selbst (Königlicher Anteil), den Rest erhielten die angrenzenden Städte und Rittergüter, einiges auch die alten Dorfschaften. Das gewonnene Land betrug im ganzen 130000 Morgen, auf welches nun, wie man sonst Bäume pflanzt oder einsetzt, 1300 Familien »angesetzt« wurden. Das geschah in 43 neugegründeten Kolonistendörfern. Die Gründung dieser Kolonistendörfer war Sache des Königs auf dem Königlichen Anteil, Sache der Städte und Rittergüter auf den Anteilen, die diesen zugefallen waren. So entstanden königliche, städtische und adlige Kolonistendörfer.
Die königlichen Kolonistendörfer waren von Anfang an die größten und wichtigsten und sind es wohl auch geblieben. Mit Ausnahme von Herrenhof und Herrenwiese führen sie sämtlich die Namen alter Bruch- und Uferdörfer, denen nur, zur Unterscheidung, die Silbe »Neu« hinzugefügt worden ist. Es sind folgende:
Neu-Barnim.
Neu-Lewin.
Neu-Trebbin.
Neu-Kietz.
Neu-Küstrinchen.
Neu-Glietzen.
Neu-Lietzegöricke.
Neu-Mädewitz.
Neu-Reetz.
Neu-Rüdnitz.
Neu-Tornow.
Neu-Wustrow.
Die meisten Kolonisten wurden in den drei erstgenannten Dörfern, in Neu-Barnim, Neu-Lewin und Neu-Trebbin angesetzt und ist diesen drei Ortschaften auch eine gewisse Superiorität verblieben. Sie zählen bis zu 2000 Einwohnern und darüber.
Werfen wir noch einen Blick auf jene ersten Jahre nach der Trockenlegung des Bruchs. 1300 Kolonistenfamilien sollten angesetzt werden, vielleicht waren auch die Häuser dazu bereits aufgeführt. Aber wo die Menschen hernehmen? Das war nichts Leichtes. Eine eigne »Kommission zur Herbeischaffung von Kolonisten« wurde gegründet, und diese Kommission ließ durch alle preußische Gesandtschaften »fleißige und arbeitsame Arbeiter« zum Eintritt in die preußischen Staaten einladen. Diese Einladungen hatten in der Tat Erfolg; an Versprechungen wird es nicht gefehlt haben. So kamen Pfälzer, Schwaben, Polen, Franken, Westfalen, Vogtländer, Mecklenburger, Österreicher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erstgenannten Ländern. Neu-Barnim ist eine Pfälzer-Kolonie, ebenso Neu-Trebbin. Neu-Lewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls mit slawischen Elementen besetzt. Die Unterschiede zeigen sich zum Teil noch jetzt in Erscheinung und Charakter der Bewohner. In den Pfälzer-Dörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neu-Lewin einem mehr brünetten Menschenschlag. Auch von der Ausgelassenheit und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen. 9 Jede Familie erhielt 90, 60, 45, 20 und ein größerer Teil 10 Morgen Ackers von dem entwässerten Boden, bei welcher Verteilung man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die Größe des Vermögens Rücksicht nahm. Jegliche Religionsausübung war frei. Der König ließ sechs neue Kirchen bauen, setzte vier Prediger, zwei reformierte und zwei lutherische ein, und gab jedem Dorf eine Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule erhielten Ländereien. Noch andere Vorteile wurden den Ansiedlern gewährt. Allen denen, die sich niederließen, ward eine vollständige Freiheit von allen Lasten auf fünfzehn Jahre gewährt, wie sie denn auch – kein geringes Vorrecht in jenen Tagen – für ihre Person samt Kind und Kindeskind von aller Werbung frei waren. Dem König, wie wohlbekannt, lag vor allem daran, seine dünn besäten Staaten reicher bevölkert zu sehen. Nach der Verteilung der Ländereien blieben ihm noch 20000 Morgen, in betreff deren ein benachbarter Gutsbesitzer dem König bemerkte, »daß sich vorzügliche Domänen-Vorwerke daraus würden bilden lassen«. Der König sah den Ratgeber durchdringenden Blickes an und erwiderte scharf: »Wär' ich, was Er ist, so würd ich auch so denken. Da ich aber König bin, so muß ich Untertanen haben.« Er gab auch diese 20 000 Morgen noch fort.
Die Kolonisten waren nun angesetzt und die Urbarmachung begann. Das nächste, was der Trockenlegung folgte, war die Ausrodung. Diese Ausrodung führte zu seltsamen Szenen, wie sie seitdem, wenigstens in unserer Provinz, wohl nicht wieder beobachtet worden sind. Die ausgerodeten Bäume und Sträucher – da
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