Wanderungen durch die Mark Brandenburg
der Kurmark als besonderer Gerichtshof fortbestehen blieb. Er widmete diesem Hof- und Kammergericht seine ganz besondere Aufmerksamkeit, wohnte den Versammlungen der Räte bei und zog in schwierigen und wichtigen Fällen auswärtige Rechtsgelehrte hinzu. Von ähnlicher Bedeutung waren seine Polizeiverordnungen, in denen er das bürgerliche Leben in die richtigen Bahnen lenkte, natürlich alles vom Standpunkt eines patriarchalischen Regimentes aus. Ähnlich wie König Friedrich Wilhelm I., an den er überhaupt, in seinen Tugenden und Fehlern, lebhaft erinnert, griff er in Großes und Kleines ein, bestimmte die Preise der Lebensmittel, verbot den Handwerkern, Werkeltags in Bierhäusern zu frühstücken, und ordnete die Zahl der Gerichte bei Hochzeiten und Kindtaufen. Selbst die Tafelstunden wurden bestimmt. Daneben war er um alles, was krank, elend und bedürftig war, aufs sorglichste und liebevollste bemüht, und die Armen hatten ein Recht, ihn ihren »Vater« zu nennen.
Er war aber nicht nur ein glänzender Verweser und Verwalter seines Landes, er war auch ein Politiker und beherrschte die nach außen hin liegenden Fragen mit absonderem Geschick. Unter diesen Fragen standen einerseits die Beziehungen zu seinem Bruder, dem Kurfürsten, andererseits die zu dem Bischofe von Lebus und dem innerhalb der Neumark reichbegüterten Johanniterorden obenan.
Was die Beziehungen zu seinem Bruder, dem Kurfürsten angeht, so waren und blieben sie, soweit das Herz in Betracht kam, immer die besten, während es da, wo die Landes- und beinahe noch mehr die Privatinteressen mitsprachen, an ernsten Zerwürfnissen nicht fehlte. Dies war namentlich auf dem diffizilen Gebiete der Zölle, ganz besonders aber der Oderzölle der Fall, in betreff deren oft schwer festzustellen war, ob der Kurmark oder der Neumark das größere Recht zur Seite stehe. An Nachgiebigkeit war nicht zu denken, weil diese Zolleinnahmen für beide Brüder den allerempfindlichsten Punkt bildeten: für den verschwenderischen Joachim, weil er das Geld beständig gebrauchte, für den sparsamen und geizigen Johann, weil er es beständig vermehren wollte.
Ungleich schwieriger noch lagen die Beziehungen zum Orden und zum Bischof, freilich durch eigene Schuld, insofern er von Anfang an bestrebt war, nicht bloß die Macht, sondern vor allem auch den Besitzstand beider zu schmälern. Es sind ihm, was hier gesagt werden muß, alle diese Schritte, weil sie nicht nur von einem protestantischen Fürsten ausgingen, sondern zum Teil auch im direkten Interesse des Protestantismus geschahen, in der Geschichtsschreibung seiner Zeit eher zum Guten als zum Schlimmen gedeutet worden; ein unparteiisches Urteil aber, das an dem Satze festhält, »daß Rechtsfragen nicht nach jeweiligen Tendenzen gemodelt werden dürfen«, wird nicht umhin können, des Markgrafen Vorgehen gegen Orden und Bischof mit Mißbilligung zu nennen. Um so mehr (und wir kommen darauf zurück), je rücksichtsloser er in der Wahl seiner Mittel war. Rücksichtslos aber klug.
Und diese Klugheit bewies er auch, als sich aus dem Schmalkaldischen Bunde, dem er zugehörte, der Schmalkaldische Krieg zu entwickeln begann. Norddeutschland, das in ihm einen Hort des Protestantismus sah, erwartete, daß er als der ersten einer auf die Seite der Bündler treten und einer ihrer Führer werden würde, ja seine damals noch lebende Mutter beschwor ihn, »die protestantische Sache nicht im Stiche zu lassen«. Aber vergebens. Er entschied sich für den Kaiser und führte diesem unter der Fahneninschrift: »Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist,« siebenhundert Reiter zu, die denn auch den blutigen Strauß bei Mühlberg mit ausfechten halfen. Den ihn für dieses Verhalten treffenden Tadel hat er durch die Versicherung zu beseitigen gesucht, »daß er das bündlerische Vorgehen nicht als einen Glaubens-, sondern als einen Illoyalitätskampf angesehen habe«, Worte, die sein späteres ruhmvolles Verhalten auf dem Reichstage zu Augsburg rechtfertigen zu wollen scheinen. Nichtsdestoweniger möchte ich die größere Hälfte seiner Handlungsweise einer klugen Berechnung zuschreiben. Er war eben eine durch Mein- und Dein-Fragen auch in seinen Prinzipien stark beeinflußte Natur, und wenn neuerdings, und zwar im Lager der Konservativen selbst, der Satz aufgestellt worden ist, »daß auch das konservativste Blatt immer noch mehr ›Blatt‹ als ›konservativ‹ sei«, so wird sich von Markgraf Hans als dem
Weitere Kostenlose Bücher