Wanderungen durch die Mark Brandenburg
protestantischsten Fürsten seiner Zeit, vielleicht sagen lassen, »daß er immer noch mehr ›Fürst‹ als Protestant gewesen sei«. Einzelne Züge, deren ich noch weiterhin erwähnen werde, sprechen – mit Ausnahme
eines
, des freilich wichtigsten – dafür.
Er stand ganz in der großen Kontroverse, die den Inhalt seines Jahrhunderts ausmachte, und nahm in Wort und Schrift vielfach daran teil. Mit Bibellesen begann er seinen Tag und mit Disputationen über die schwebenden Fragen beschloß er ihn. Was ihn nebenher beschäftigte, waren Mathematik und Astrologie. Er hielt zwei Hofastrologen, unter ihnen den durch seine reformatorische Tätigkeit später so berühmt gewordenen Martin Chemnitz, und ließ täglich die Veränderungen im Stand der Gestirne beobachten, um daraus die Gesinnungen der fremden Fürsten gegen ihn kennenzulernen. Seine der Erholung gewidmeten Stunden gehörten der Musik, dem Brettspiel und nur ausnahmsweise der Jagd. Dabei war er von einer ausgesprochenen Neigung, kleine Reisen unerkannt ins Land hinein zu machen, um bei dieser Gelegenheit die Lage des Volkes und seine Stimmung kennenzulernen. Auch wohl sich von der Zuverlässigkeit seiner Diener, höherer wie niederer, zu überzeugen. So trat er auf der ihm zugehörigen Quartschener Feldmark an einen seiner eigenen Schäfer heran und drang in ihn, ihm heimlich einen Hammel aus seiner Herde zu verkaufen. Und als der Angeredete dies weigerte, begann er nicht nur mit ihm zu zanken, sondern griff auch nach dem Hammel, bis der Schäfer endlich mit seiner Barte so gut und sicher nach ihm warf, daß der Spieß im Sattel des Markgrafen hängen blieb. Damit ritt dieser heim und ließ den Sattel mitsamt dem Bartenspieß in seinem Marstall aufbewahren.
Er kam, wie die meisten unserer früheren Hohenzollern, nicht hoch zu Jahren. Allerlei Krankheit trübte seinen Ausgang, und ein offener Wundschaden am Fuß, den er gegen den Rat seiner Ärzte zuheilen ließ, verschlimmerte seine Leiden. Er suchte Heilung, erst in Hirschberg, dann in Karlsbad, und an letzterem Orte war es, daß noch viele Jahre später ein Stein mit der Inschrift »Markgraf Hans von Küstrin« gezeigt wurde. Aber alle diese Quellen verschafften ihm kaum Linderung, geschweige Besserung, und als er in der ersten Januarwoche 1571 die Nachricht empfing, daß sein Bruder, der Kurfürst, auf seinem Jagdschlosse zu Köpenick plötzlich gestorben sei, mochte er das Herannahen seines eigenen Endes fühlen. Eine Ohnmacht überfiel ihn, und als er aus ihr erwachte, ließ er seinen Hofprediger und Generalsuperintendenten Dr. Cölestinus zu sich rufen. Dieser kam und setzte sich mit an den Tisch, auf dem Speisen aufgetragen waren, und als das Gebet gesprochen, sagte der Markgraf: »Hilf Gott! Wie arme Leute sind wir! Wär' ich doch schier in einer Ohnmacht dahin gegangen. Ach, was ist das Leben. Dolor et labor. Lieber Gott, gib, daß wir seliglich sterben.«
Das war am 12. Januar. Die Nacht darauf schied er aus dieser Zeitlichkeit. Schon fünfzehn Jahre vorher hatte er sich unter dem Marmoraltar seiner Küstriner Schloßkirche ein Grabgewölbe herrichten und demselben auch eine Inschrift geben lassen. Und zwar standen an einer in die Wand eingelassenen Messingtafel die folgenden Worte: »Johannes Markgraf zu Brandenburg, ein Sohn Markgraf Joachims I., Kurfürsten zu Brandenburg, hat durch Gottes Vorsehung im Jahre 1536 angefangen, die reine Lehre des Evangelii und Wortes Gottes, inhalts augsburgischer Confession, nach prophetischer und apostolischer Schrift allhier zu Küstrin öffentlich lehren zu lassen, und ist in solchem Bekenntniß, Er und die Seinigen, aus Gnaden des Allmächtigen beständig geblieben. Solus spes mea Christus.«
In dieser Gruft wurde Markgraf Hans in feierlicher Weise beigesetzt und die Chronisten geben eine Beschreibung davon, nicht viel kürzer als die Beschreibung seines Lebens. Er war ohne männliche Deszendenz gestorben, und so fiel die Neumark, nach einer verhältnismäßig kurzen Trennung von der Kurmark, wieder an diese zurück.
Es erübrigt uns noch ein Blick auf seinen Charakter, den anzudeuten schon die vorstehende Schilderung seines äußeren Lebensganges Gelegenheit bot, weshalb einige Aussprüche sich an dieser Stelle wiederholen werden. Er war klug und scharfblickend, ein Mann der Ordnung und des Gesetzes, ein glänzender Haushalter und ein unermüdlicher Begründer eigenen und fremden Wohlstandes. Das machte ihn volkstümlich. Aber alle diese Tugenden
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