Wanderungen durch die Mark Brandenburg
versuche es. Mit Deiner lieben Mutter und Deiner schönen, Dir sehr ähnlichen Schwester waren wir am Abend vor Deiner Abreise (dieses ist unverständlich) recht vergnügt bei Landvogts; Dein Schwesterchen war etwas angetrunken und daher sehr liebenswürdig und heiter. Auch von Klara, so verlangst Du, soll ich Dir schreiben. Nun, ich darf Dir der Wahrheit gemäß versichern, daß sie Dich liebt und immer lieben wird. Unsre Gespräche haben nie einen andern Gegenstand als Dich, und Du erfüllst ihre ganze Seele. Nur einmal hat sie mich geärgert: als ich ihr Deinen Brief gab, hat sie diesen Brief an Kirchner gezeigt. Neulich, auf dem Beamtenvereine, haben wir uns ziemlich amüsiert; die Stelle dicht an der Tür, wo Du mit Klara das letzte Mal gesessen, wird jetzt immer von uns eingenommen, weil sie ihr die liebste ist. In der Loge war ich auch neulich. Franziska wird jetzt von einigen Dragoner-Fähnrichen becourt; zugleich macht sie Gedichte an Dich. 35 Es ist alles weder gehauen noch gestochen, doch es sind ja Verse. Woher weißt Du, daß ich jetzt einen kurzen schwarzen Samtrock habe? Tanze nur fleißig schottisch, damit Du doch etwas Bewegung hast. Schreibe mir auf die Rückseite dieses Briefes.
Dein treuer Vetter A. L.
Arnstedt antwortete denselben Tag noch (10. März) und schrieb, wie proponiert war, auf die Rückseite des Briefes.
Mein lieber guter schwarzröckiger Vetter. Daß Du einen schwarzen Samtrock hast, habe ich längst gewußt, aber das ist neu, daß ich Dich vielleicht nächstens darin sehen werde. Ich habe nämlich Hoffnung als »Staatsgefangener« nach Magdeburg zu kommen; ist das aber der Fall, so werde ich mit Extrapost fortgebracht. Da können wir uns dann möglicherweise sehen und sprechen; man muß nur alles ausspekulieren und pfiffig sein. Was hat denn Kirchner zu dem Briefe gesagt? Ihr werdet mich übrigens sehr verändert finden. Mein Haar umhüllt mich wie ein Mantel, und mein Bart hängt bis zur Erde, denn es sind jetzt runde fünfzehn Wochen, daß ich eingesperrt wurde. In zwei bis drei Jahren hoff' ich wieder frei zu sein; kann und darf ich dann in unserem Heere nicht fortdienen, so ist Rußland oder Griechenland mein Asyl. Aber erst verlebe ich einige Zeit bei Dir. Nächsten Freitag kommt Vetter Fritz wieder zu mir; da könntest Du mir etwas Herzstärkendes zuschicken, eine Flasche Wein oder einen guten Leckher oder Leckhin. Aber es muß in einer Flasche sein, die der Vetter in die Tasche stecken kann. Franziska dichtet. Nun ich auch und mein Neuestes ist ein Lied »An den Arrest«.
Als ich dich zum ersten Mal erblickte,
Diesen Augenblick vergeß ich nie,
Als ich mich auf deine Pritsche drückte,
Wurde mir, ich weiß es selbst nicht wie.
Du siehst, ich bin auch ein Dichter. Dein Emil, Suitier in Ketten
Fünf Tage später, derselbe an denselben
15. März 1837. Mein lieber Adalbert... Mein Urteil wird und muß bald kommen und wird hoffentlich nicht so streng ausfallen. Daher Geduld. Bin ich erst an meinem Bestimmungsort, so erhältst Du die erste Nachricht. Nun aber, was macht Klara? Denkt sie meiner noch oder bin ich vergessen. Laß mich nicht vergebens auf Antwort warten. Grüße sie und sage ihr, daß mein Herz nur für sie schlägt, daß ich durch sie lebe und atme... Ich hoffe noch auf frohe Tage und rufe deshalb auf Wiedersehen. Grüße Klara. Gesund bin ich und fidel wie immer, obgleich mir die Flügel beschnitten sind. Dein Emil
Adalbert von L. an Emil von Arnstedt
24. März 1837. Mein guter, lieber Arnstedt. Dein liebes Briefchen habe ich erhalten. Du fragst darin unter andern, wie Klaras Vater und ihre Mutter von Dir denken? Ersterer urteilt wie fast alle Männer, also lieblos, die letztere jedoch bedauert Dich von Herzen. Du frägst auch, wer jetzt Klara bekurt? Die Leute meinen, ich täte es; aber es ist nicht wahr, unser Gespräch dreht sich immer nur um Dich. Du schreibst auch, Deine Locken wären jetzt Dein Mantel und Dein Bart reichte bis zur Erde. Junge, da mußt Du ja allerliebst aussehen, doch bitte ich Dich, opfere etwas davon und schicke es mir, aber einen recht großen Wusch, denn alle Welt will eine von Deinen Locken haben. Heute zum Charfreitag ist nirgends etwas los, aber am Ostermontag bin ich auf dem dritten Club. Dein A. von L.
Emil von Arnstedt an Adalbert von L.
25. März 1837. Mein lieber Adalbert. Heute ist der Geburtstag meiner Mama, ich durfte ihr direkt keinen Gruß, keinen Glückwunsch senden und mußte es durch
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