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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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euch scheiden. Ich war, offen gesagt, zu schwach, mich schon von der Welt loszureißen. Da fuhr mir der Gedanke durch den Kopf, er muß sterben. Dieser Gedanke hat mich nicht wieder verlassen. Da ich überzeugt war, daß ich meine Lieben nicht mehr sprechen würde, so nahm ich schriftlich von den drei mir am teuersten auf dieser Welt Abschied. Es sind dies die Briefe an Dich, Klara und meine Mutter. Mein Tagebuch hatte ich geschlossen und eine meiner Locken solltest Du nebst diesem Brief erhalten. Am Montag früh (um fortzufahren) kam Wenzel zu mir und fuhr mich an, »warum ich nicht in der Schule sei?« Ich sagte ihm »weil ich Arrest habe«. Schon den vorigen Nachmittag hatte ich ihn erwartet und die geladene Pistole in Bereitschaft; er kam nicht. Jetzt antwortete ich ihm »daß ich gleich kommen würde«, worauf er eilig mein Zimmer verließ, da er wohl meine wütenden Blicke sah. Ich sprang nach dem Spinde, holte die Waffe und stürzte ihm nach. Auf 15 bis 20 Schritte schoß ich das Pistol ab und traf ihn, da er sich gerade umdrehte, in die linke Achsel quer durch die Brust, so daß die Kugel, nachdem sie den rechten Arm noch zerschmettert hatte, dicht unter der Haut sitzen blieb. Er ging nun noch einige Schritte taumelnd zurück und stürzte dann vorwärts aufs Gesicht. Ich meldete mich sogleich selbst als Mörder und wurde nach der Wache gebracht. Am folgenden Tage hatte ich an der Leiche Verhör; der Körper wurde seziert und die Brust ganz aufgeschnitten. Keine Miene habe ich verzogen, bloß um zu beweisen, daß dieser Anblick mich nicht schreckte. Die ersten Tage meiner Einkerkerung waren für mich fürchterlich; nur alle 24 Stunden erhielt ich warmes Essen, bis ich dann von mitleidigen Menschen gespeist wurde. Du hast hier ein offenes wahres Bekenntnis einer schrecklichen Tat; nur die Liebe zu euch, ihr Lieben, hielt mich an diesem Leben fest. Denn ich zog doch die Festung dem Tode vor, und daß ich nicht hingerichtet würde, davon war ich damals fest überzeugt. Jetzt ist es freilich anders, denn ich sehe nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Wahrscheinlichkeit ein. Aber laß das gut sein, es kann alles noch besser werden, als wir denken. Für jetzt freue ich mich nur, daß meine liebe Mutter hier ist, und daß ich mich mit Dir unterhalten kann. Denn obgleich mir Weitze und Landvoigt so viel Gutes erweisen, so kann ich doch nicht das für sie fühlen, was mein Herz für Dich empfindet. Mit welcher Gefahr ich schreibe, glaubst Du gar nicht, denn an meiner Stubentür, in welcher eine Scheibe ist, steht der Posten und ich habe nur einen kleinen Winkel, wo er mich nicht beobachten kann. Wenn ich nur bald von hier wegkomme. Zwar werde ich dann Dir und meiner Klara entführt, doch mein Herz bleibt bei euch und gewiß werde ich Dich stets von meinem Befinden benachrichtigen. Nur muß ich bitten, daß auch Du mich recht ausführlich benachrichtigst und mir schreibst, was ihr für den Silvesterball vorhabt. Du weißt gar nicht, wie glücklich es mich macht, von Dir und Klara etwas zu hören; daher sei nicht karg mit Deinem Schreiben, es soll Dir keinen Schaden verursachen. Grüße meinen guten Heinrich, August, Jean etc., aber vor allen grüße sie, die ich so heiß liebe. Sage ihr, daß alle Pulse nur für sie schlagen, daß kein Augenblick vergeht, in welchem ich nicht an sie denke. Ach, es heißt mit Recht: »Süße Quelle meiner Leiden, ewig, ewig lieb ich Dich«, denn jener unvergeßliche Abend (Freitag, den 2. Dezember) ist die Hauptursache. Aber ich klage keinen Menschen an, nur mich allein und meine fürchterliche Verblendung. Ich kann mit Recht sagen »ich opferte mich für andere«, denn mir bleiben von der Tat nur die Hefen, meine Kameraden genießen das Gute. Nur bleib mir treu, erfreue mich mit einem recht langen Schreiben und grüße Klara von Deinem immer noch verliebten
    Vetter Emil
     
Zweiter Brief Emil von Arnstedts an seinen Vetter Adalbert von L.
    1. Januar 1837. Mein lieber Adalbert! Von Herzen Glück zum neuen Jahr. Du bist doch mein bester Junge und wirst es bleiben, daher will ich Dir auch vertrauen. Ist mein Tod nicht zu umgehen, so steht mir der Weg der Flucht immer noch offen. Ich habe schon im stillen gearbeitet und Du wirst mich gewiß dabei nicht im Stiche lassen. Als ich gestern gegen sieben Dein kräftiges »Oho!« erschallen und die Schellen läuten hörte, war ich schon im Begriff, als Maske auf den Silvesterball zu kommen. Nur der Gedanke an die Bemühungen meiner guten

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