Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
eigenen Scharfblick auf der Stelle, daß es sich hier unmöglich um etwas Bedenkliches handeln könne. Sie lud mich also zum Sitzen ein, was seitens ihres Mannes noch nicht geschehen war, und stellte nun ihre Fragen so geschickt und so freundlich, daß ich mich rasch wieder zurechtfand. »Ich fürchte nicht, Ihre Zeit allzulang in Anspruch nehmen zu müssen, eine Stunde, wenn's hoch kommt. Ohnehin hängt die Sonne schon über den Dächern drüben, und wenn wir auch Mondschein und sogar Vollmond haben, so lassen sich doch alte Bilder in solcher Beleuchtung nicht allzu gut studieren, die Fenster mögen so hoch und breit sein, wie sie wollen. Oder irr ich mich, wenn ich annehme, daß sich die beiden Wöllner-Portraits in Ihrer Kirche befinden?«
»Eines war in der Kirche, das in roter Uniform. Aber der Herr von der Marwitz hat es, als er das letzte Mal hier war, ins Schloß bringen lassen, und da hängen sie nun alle zusammen.«
»Ich wußte nur von zweien.«
»Ja, zwei Wöllner-Bilder... Ede, du könntest ins Schloß gehen und um den Saalschlüssel bitten; es wär ein Herr da, der die Bilder sehen wollte... Ja, zwei Wöllner-Bilder, eines als Minister und eines aus seiner Hauslehrerzeit, als er noch in Groß Behnitz war. Ach du lieber Himmel, Groß Behnitz! Wie sich doch alles ändert im Leben. Das war das Itzenplitzische Lieblingsgut, und nun hat es Borsig, und der hat es auch nicht mehr, und ist bloß noch Sommersitz und Villa für seine Witwe. Kennen Sie Groß Behnitz?«
Ich nickte.
»Das also sind die beiden Wöllner-Bilder. Und auf dem zweiten, in einem Talar oder Roquelaure, sieht er eigentlich aus, als ob er ein Beichtvater wär oder sonst was Katholisches. Und auch sehr hübsch. Es sind aber außerdem noch zwei Bilder da, die mit dazu gehören, zwei Frauenbilder, und die Leute sagen, das eine sei die Frau Generalin von Itzenplitz, die ja so große Stücke von ihm hielt, und das andre sei das Fräulein von Itzenplitz (die Tochter der Gnädigen), die dann der Hauslehrer Wöllner, oder vielleicht war er auch schon Domainenrat, geheiratet hat. Aber da kommt Ede. Bringst du die Schlüssel?«
»Nein. Aber es sei schon gut. Und der Herr solle nur kommen.«
Auf diese Zusage hin erhoben wir uns, die Frau Kantorin und ich, und gingen nunmehr auf das Schloß zu, das mir seiner großen Renaissancetreppe nach aus der Zeit König Friedrichs I. zu stammen schien. Ein Diener wartete schon und schloß einen Hochparterresaal auf, aus dessen Fenstern ich einen Blick auf einen von Treibhäusern eingefaßten Garten hatte. Dieser Blick war hübsch, aber der Saal selber zeigte nichts als eine Stehuhr, eine Portraitbüste Friedrich Wilhelms II. und jene vier Bilder, über die mir die Frau Kantorin einen vorläufigen kurzen Bericht gegeben hatte.
Der letzte Glutschein der untergehenden Sonne fiel auf drei Bilder; das vierte (kleinere) hing an einer Schmalwand unmittelbar daneben und war das Wöllner-Bild aus seiner Ministerzeit. Er trägt auf demselben gepudertes Haar, einen roten Uniformrock und einen blauen, mit Silber gestickten Kragen. Ebensolche Rabatten und Aufschläge. Die Nase dicklich, die Lippen wulstig, die Augen groß und hervortretend. Alles in allem entschlossen und charaktervoll, aber ohne Wohlwollen.
Auf diesem kleineren Portrait ist er ein mittlerer Fünfziger, auf dem größeren, im rechten Winkel daneben hängenden aber erscheint er als ein jugendlicher und in der Tat schöner abbéhafter Mann, wie man ihnen auch heute noch innerhalb der katholischen Geistlichkeit in Östreich und Süddeutschland zu begegnen pflegt. Er zeigt sich, seinen damaligen Studien entsprechend, mit einem Mikroskop beschäftigt, zwischen dessen Gläser er eben einen zu beobachtenden Gegenstand gelegt zu haben scheint. Eine Verwandtschaft zwischen den beiden Bildern ist unverkennbar: derselbe sinnliche Mund, dazu dieselben großen Vollaugen. Und doch, welch ein Unterschied! Auf dem Ministerportrait alles abstoßend, hier alles anziehend bis zum Verführerischen. Dazu gut und, soweit meine Kenntnis reicht, in einzelnen Partien sogar vortrefflich gemalt. Von welcher Hand, würde sich durch Kunstverständige leicht feststellen lassen, da, nach Antoine Pesnes Tode, wohl nur wenige Maler in Berlin existierten, die so zu malen imstande waren.
Die beiden Itzenplitzischen Frauenportraits, die dieselbe Wand schmücken, sind in Ausdruck und Vortragsweise nur Durchschnitt. Alles Interesse verbleibt also ihm , und wer die Geschichte dieses
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