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Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in immer gleicher oder doch verwandter Weise.
    Die Grabkapelle samt Leichenhalle war darauf berechnet, namentlich bei Typhusepidemien, vor den Gefahren der Ansteckung zu schützen. Aber das war lediglich im Sinne der Humanität und keineswegs im Sinne der Siethner gedacht. In Siethen verstieß es gegen das Herkommen, und jeder Tagelöhner und Büdner sagte: »Gefahr hin, Gefahr her. Es paßt sich nicht und ist schlecht und feige, solcher Gefahr aus dem Wege gehen zu wollen. Unser Vater oder Kind ist nun tot, ist uns genommen nach Gottes Willen, und ob wir's bequem haben oder nicht, dieser Tote, solang er über der Erde, gehört in unser Haus, und uns liegt es ob, an seinem Sarge zu wachen, unbekümmert darum, ob er uns nachzieht oder nicht.« Es mag dies vor dem Verstande schlecht bestehen, vor dem Herzen desto besser, und ich habe nicht den Mut, einer Gemeinde zu grollen, die lieber ihre Leichenhalle zerfallen sehn, als ihre Toten vor dem Begräbnis aus dem Auge lassen will.
    Ein Ähnliches ist es mit dem Tabea-Haus . Es kommt – darin seine Bestimmung erfüllend – allerdings Armen- und Waisenkindern zugut, aber immer nur Waisenkindern aus dieser oder jener, oft sehr entfernten Stadtgemeinde, während noch kein Siethner Kind als Pflegling in das Haus aufgenommen werden konnte, selbst dann nicht, wenn beide Eltern weggestorben waren. Es ist eben in solchem Falle der nächsten Anverwandten Amt und Ehrensache, für die Verwaisten einzutreten, und sie würden sich mit einem nicht zu tilgenden Makel behaften, wenn sie sich dieser Pflicht entschlagen wollten.
    Und ablehnend wie gegen Tabea-Haus und Leichenhalle verhalten sich die Siethner auch gegen die Wohltat einer selbständigen Pfarre , trotzdem ihnen, wie schon hervorgehoben, ein sehr bedeutendes und vollkommen ausreichendes Kapital zu diesem Zwecke zugesichert wurde. Hier spricht nun freilich außer Gewohnheit und Pietät auch noch ein drittes und viertes mit: Argwohn und unendliche Schlauheit. Aus Tradition und eigner Erfahrung weiß der Bauer, daß sich an jedes Geschenk über kurz oder lang eine Pflicht zu knüpfen pflegt, und dieser aus dem Wege zu gehn ist er unter allen Umständen entschlossen. Ein Pfarrhaus ist bewilligt worden, gut; aber es kann doch eine Zeit kommen, ja, sie muß kommen, diese Zeit, wo die Fenster im Pfarrhause schlecht, die Staketenzäune morsch und die Dachziegel bröcklig werden. Und wer tritt dann ein? von wem erwartet man dann die Hilfe? Natürlich von der neuen Kirchengemeinde, der der neukreierte Herr Pfarrer nunmehr vielleicht seit lange schon, seit einem Menschenalter und länger, in Ehren und Würden vorgestanden hat. Und das will der Bauer nicht. Er weiß nichts von timeo Danaos, aber er hat alle darin verborgene Weisheit und Vorsicht in seinem Gemüte, und jederzeit abgeneigt, den Beutel zu ziehen, auch wenn es sich erst um weit, weit ausstehende Dinge handelt, bleibt er lieber Filial, als daß er sich der Auszeichnung eines eignen Pfarrsitzes 1) erfreuen sollte.
    Der Kirchhof, auf den wir jetzt zurücktreten, ist reich an Steinen und Kreuzen, auf denen einzelne klangvolle Namen zu lesen sind. »Ernst Carl Leopold von Uslar-Gleichen« und an andrer Stelle: »Hier ruht Frau Clara von Chaumontet, geborne Gräfin zu Dohna.« Beide waren Scharnhorstsche Verwandte, die hier vom Tod überrascht oder doch zu früher Lebensstunde von ihm gebannt und festgehalten wurden.
    Aber auch solche ruhen hier, die der Tod an diese Stelle nicht unerbittlich bannte, sondern die sich's umgekehrt als einen letzten Wunsch ausbaten, hier ruhen zu dürfen . » Ihrem Wunsche gemäß ruht hier Sophie Elisabeth Luise Honig, geboren zu Berlin den 17. März 1790, gestorben ebendaselbst den 21. November 1843.« Ihr Vater hatte Siethen bis Ende des Jahrhunderts besessen, und in Kindertagen hatte sie hier gespielt. Hier zwischen den Gräbern. Es war ihr in Erinnerung geblieben, und nun verlangte sie's nach dieser Stelle, der einzigen vielleicht, an der sie glücklich gewesen war.
    Eine größre, von einem Eisengitter eingefaßte Grabstätte liegt in der Mitte des Kirchhofs, fast dem Tabea-Hause gegenüber. Es ist die Stätte, wo beide Johanna von Scharnhorsts, Mutter und Tochter, ruhn. Ein Steinkruzifix, wie das gröbensche, steht zu beider Häupten, und nur zu Füßen des Gekreuzigten erhebt sich an dieser Stelle noch eine zweite Figur: eine betende Maria. Blumen und Efeu wachsen über die Gräber hin, und Trauereschen umstehen das Gitter. In den Sockel

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