Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
die Linie des Schicklichen stillschweigend auch von anderen gewahrt zu wissen verlangt. So schrieb er, als er bei bestimmter Gelegenheit sich verletzt glaubte, folgendes an Graf B.:
»Gesellschaftliche Demütigungen sind das verletzendste, was es gibt! Du weißt, daß ich Standesunterschiede ehre und liebe , ihnen auch gern die äußere Anerkennung zolle; allein der Höhere, der mich durch Annäherung ehrt, muß auch die Überzeugung fühlen, daß ich meine eigene unantastbare Ehre habe. Nur diesem festen Gange meines Lebens, nie andringend, aber auch nie schmiegsam zurückweichend, hab ich wohl das reiche Maß von Huld und Güte zu danken, welches mir bisher geworden ist. Und wie ich war, werd ich bleiben.«
Er war heiter und gesprächig, so sagt ich. Die Anekdote, der Toast, der Versebrief, das Gelegenheitsgedicht – alles war ihm untertan. Seine eigentlichste Meisterschaft aber, zugleich seine vollste Eigenart, zeigte er auf dem Gebiete des Impromptu . Hier feierte er seine größten und entschiedensten Triumphe. »Bin Onkel Bonbonkel...«, »Da kommt Abeken im Trabeken« – in solchen plötzlich aufschießenden Reimen war er groß, und das geschickte Operieren mit einem epigrammatisch zugespitzten Calembour verstand er besser als einer. Er war kein Dichter, aber man hätt ihn »Wilhelm den Reimer« nennen können. Eine Sammlung dieser »geflügelten Worte«, wenn es möglich wär, eine solche noch nachträglich zu veranstalten, würd ein Witz- und Anekdotenbuch und zugleich eine Personen- und Charakterschilderung aus dem zweiten Viertel dieses Jahrhunderts sein.
Von gesellschaftlicher Bedeutung war auch seine Kunstweise, zumal wenn wir von der Zeit absehen, wo er noch unmittelbar unter dem Einfluß Italiens und der großen Meister stand. Was er in der Gesellschaft und für die Gesellschaft schuf, das wird unter allem, was er künstlerisch geleistet, das Dauerndste sein. Es sind dies seine während eines Zeitraums von vierzig Jahren entstandenen Portraits, die, soweit meine Kenntnis reicht, eine in ihrer Art einzig dastehende Sammlung bilden.
Diese Sammlung, in Händen seines Sohnes Sebastian H. befindlich, besteht aus siebenundvierzig Jahresmappen, die in einem alten Schildpatt- oder Boulle-Schranke aufbewahrt werden und die ganze obere Hälfte desselben füllen. Schon die bloßen Mappendeckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab es in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde kunst , und einer solchen halb untergegangenen Kunstepoche scheinen diese Mappen anzugehören. Sie sind alle verschieden in Farbe wie Stoff; Samt, Seide, Maroquin wechseln ab; das Vergilbte und Verschossene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen sind schön erhalten; einzelne tragen auf dem oberen Deckel ein Mosaikbild oder eine Gemme. Darunter ein geschnittener Onyx von der Größe einer Damenuhr, die Entführung der Europa darstellend. Ebenso schön wie wertvoll.
Diese siebenundvierzig Mappen nun, die von 1815 bis 1861 reichen und je nach der Jahresausbeute dünn oder voluminös sind, enthalten nicht weniger als 1027 Portraitköpfe. Man darf sagen, alles oder doch fast alles, was in diesem langen Zeitabschnitt in ganz Mitteleuropa zu Ruhm und Ansehen gelangte, das gibt sich hier ein Rendezvous. Gruppieren wir den Gesamtinhalt nach den Nationalitäten , so finden wir, außer ungezählten Deutschen, 52 Engländer, 43 Italiener, 31 Franzosen, 17 Russen und Polen, und in Einzelexemplaren gesellen sich ihnen zu: Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner, selbst ein indischer Fürst und ein Mexikaner. Lassen wir die Scheidung nach Nationalitäten fallen und gruppieren statt dessen nach Beruf und Lebensstellung , so geben die Mappen, unter Ausschluß der Fürstlichkeiten, die das stärkste Kontingent stellen, folgendes an Ausbeute: Dichter, Gelehrte, Schriftsteller 89; Architekten, Maler, Bildhauer, Komponisten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauspieler und Sänger 21.
Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schriftsteller stehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es sind: Bettina von Arnim; Maxe, Armgard, Gisela von Arnim; Boeckh; Clemens Brentano; Geheimer Rat Bunsen; Michael Beer; Dr. Carl Blum; Professor Droysen; Ehrenberg; La Motte Fouqué; Professor Gans; Goethe; Jacob Grimm; Paul Heyse; Henriette Herz; E. T. A. Hoffmann; Alexander von Humboldt; Klingemann; Th. Körner; Adam Müller; Wilhelm Müller; Müllner; Frau von Paalzow; Fürst Pückler; Leopold von Ranke; Oskar von Redwitz; Ernst
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