Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
folgte jetzt in dreißig Booten nach Schmöckwitz hinüber. Der Prediger, der den alten Mann sehr geliebt und seiner Gemeinde als das Bild eines schlichten und frommen Christen oft empfohlen hatte, sprach über das Schriftwort: ›Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herren Freude.‹ Und denselben Spruch hat auch der Schmöckwitzer Tischler auf das Grabkreuz unseres Freundes geschrieben.«
     
    »Dies Grab müssen wir besuchen«, rief jetzt Kapitän Backhusen mit Emphase; »das ist mein Mann; allein sein, nichts von der Welt wollen!« Und Lieutenant Apitz und unser Supercargo, trotzdem sie als Typen ausgesprochenster Gesellschaftsneigung gelten konnten, stimmten begeistert bei. Denn mit Nachdruck ausgesprochene Sätze sind ihres Einflusses immer sicher.
    Wir waren inzwischen bis in unmittelbare Nähe der Schmöckwitzer Brücke gekommen. Kapitän Backhusen gab ein Zeichen mit Horn und Sprachrohr, und gleich darauf, während die halbe Dorfjugend herzudrängte, hob sich eine der Brückenklappen und gestattete uns, unter Salut und Zoll, die Einfahrt aus dem Seddin-See in den Zeuthener See zu machen. Unsere erste Station war erreicht: Schmöckwitz. Die »Sphinx« legte an; wir stiegen ans Ufer, um auf eine halbe Stunde wieder terra firma unter den Füßen zu haben.
    Schmöckwitz, eine Art Kapitale dieser Gegenden, wirkt doch ganz nur wie ein Dünendorf an der Ostseeküste. Öd und ärmlich. Hinter Sandhügeln versteckt, in tiefen Löchern und Einschnitten liegen einzelne Häusergruppen, während sich alte und junge Kiefern, oft mehr waagerecht als aufrecht stehend, an den sandigen, mit Strandhafer überwachsenen Abhängen entlangziehen. Inmitten des Ganzen die Kirche, ein trister Bau, aus dem Anfang dieses oder vielleicht auch des vorigen Jahrhunderts.
    Sowenig einladend nun das Äußere derselben war, so drang ich doch, nach vielfacher auch auf diesem Gebiete gemachter Erfahrung, die jedes Vorwegurteil verpönt, auf Besuch des Inneren. Denn die trivialste märkische Dorfkirche kann immer noch das Rührendste und die häßlichste immer noch das Schönste verbergen. Hier freilich war ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben. An weißgestrichenen Wänden hingen die üblichen Gedächtnistafeln; unter der Kanzel stand ein bestaubter Altar, beiden gegenüber aber, dicht gedrückt unter der Decke hin, blinkten die dünnen Röhren eines Harmoniums, dieses verkümmerten Enkelkindes der Orgel. In der Mitte der Kirche paradierte ein Kronleuchter, zum Andenken an die Jahre 13, 14 und 15 gestiftet. Er zeigte die Form einer Kosakenmütze und war mit einem in Blech geschnittenen Eisernen Kreuz geschmückt. Derselben Zeit gehörte auch eine Landsturmfahne an, die auf ihrem roten Flanellappen einen schwarzen Adler und die Bezeichnung »1. Division, 1. Brigade« trug. Was hier so niederdrückend wirkte, war die melancholische Abwesenheit alles Freien und Selbständigen; die Armut kann poetisch sein, die Armseligkeit nie.
    Wir traten auf den Kirchhof hinaus, dessen Gräber, wie die Häuser des Dorfes, gruppenweise versteckt in den Senkungen des Hügels lagen. Nur hier und dort ein Busch, ein Blumenbeet.
    Um den Eindruck zu bannen, den das Innere der Kirche auf uns gemacht hatte, forschten wir nach Kahnis' Grab, freilich zunächst umsonst. Der Küster, der erst wenige Monate im Dorfe war, hatte den Namen nie gehört, zeigte sich indessen beflissen, in seiner Schulklasse zu fragen. Als er wieder zu uns trat, war er in Begleitung eines halbwachsenen Mädchens, dessen flachsblonde Zöpfe zu einer dichten Krone zusammengelegt waren. Sie begrüßte uns unbefangen, schritt auf einen abseits gelegenen, halbverwilderten Fliederbusch zu und sagte dann, indem sie die Zweige auseinanderbog: »Das ist Kahnis' Grab.« Auf einem eingefallenen Hügel, der mehr mit Moos als mit Gras überwachsen war, lag ein halb umgestürztes Kreuz; die Inschrift war längst vom Regen abgewaschen. Als wir neugierig fragten, »woher sie die Stelle so gut kenne«, zeigte sie, statt jeder anderen Antwort, auf ein Hänflingsnest das sich in dem Gezweig versteckte. Die beiden Alten flogen auf, umkreisten aber die Stätte. Kapitän Backhusen, als er des geängstigten Pärchens ansichtig wurde, lüpfte den Hut und sagte dann: »Das sind wir dem Andenken Kahnis' schuldig, den Frieden dieses glücklichen Haushaltes nicht länger zu stören.« Und damit traten wir unseren Rückzug an.
    Eine

Weitere Kostenlose Bücher