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Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Worte, sagt ich, trafen sein Herz; aber die Bilder des Todes, die vor ihn hintraten, erschreckten ihn nicht. Ruhig folgte er dem Gange der Predigt.
    Und nun ist die Predigt vorüber, und an der Sakristeitüre dem Geistlichen freundlich und zustimmend die Hand drückend, schreitet er über die Gräber hinweg und durch das holunderüberwachsene Kirchhofstor dem Herrenhause zu. Der Junimorgen, so frisch und so warm zugleich, läßt ihn aufatmen wie in alter Lust und Fülle des Lebens, und statt in die Kühle des Hauses einzutreten, tritt er in den lachenden Park. Wir schreiten ihm leise nach. An dem Birkenwäldchen vorbei, den erhöhten Kiesweg entlang, der bald die Windungen des Baches begleitet, bald sie kreuzt und überbrückt, hat er endlich die hoch gelegene Lieblingsbank am Rande des Parks erreicht, die, von Buchenzweigen weit überschattet nach vorn hin einen Blick gönnt auf Felder und wogendes Korn. Er läßt sich nieder hier, und Figuren in den Sand zeichnend, ziehen die wechselnden Bilder seines Lebens an ihm vorüber.
    Das sind die sonnigen Tage seiner Jugend. Die krainischen Alpen liegen hinter ihm, eine kurze Meerfahrt ist überstanden, und um die Spitze des Lido herum biegt er ein in die Lagunenstadt. Welche Welt tut sich vor ihm auf; die Kuppeln und die Türme blinken im Sonnenlicht und als zöge man hinaus, um festlich einen Fürsten einzuholen, so schwimmt ihm die Meereskönigin auf hundert Barken entgegen. Aber was wie Wunder und Märchen erscheint, ist nur ein glückliches Ohngefähr; die heiteren Reisegötter führen ihn in die Lagunenstadt just am Tage der Meervermählung, wo der Doge samt seinen Senatoren im Bucentauro hinausgleitet, um den Ring, das Zeugnis und die Besieglung des Bundes, in das Meer zu senken.
    Die Bilder Venedigs schwinden, aber der Kahn des Traumes führt ihn weiter, jetzt zurück auf die hohe See, jetzt an dem Küstenbogen entlang, der zwischen Sorrent und Neapel sich spannt, und jetzt den Rhein hinunter und jetzt die Themse hinauf, hinauf bis an die Londonbrücke, wo die Barken den Strom sperren und die hundert Masten der Schiffe seinen Blick bezaubern und verwirren. Die Treppe steigt er hinan, die halb ausgewaschen zum Quai hinaufführt, und das Geräusch der City nimmt ihn auf. Immer wachsenderes Gedränge umwogt ihn hier, und endlich Stand nehmend auf der Hügelkuppe von Ludgate Hill, wo eben die Quadersteine geschnitten werden, aus denen dereinst die neue Paulskirche sich aufrichten soll, sieht er jetzt, von einem der hohen Steinblöcke aus, die Lord-Mayors-Prozession in altertümlichem Pomp an sich vorüberziehen. Die Themseschiffer in roten Röcken eröffnen den Zug, dann schmettern Pauken und Trompeten, bis endlich aller andre Lärm in dem Jubelgeschrei des Volkes erstickt, denn schwerfällig, aus Eichenholz geschnitzt, schwankt eben die vergoldete Kutsche heran, und der erwähnte Cityherrscher grüßt mit gravitätischem Kopfnicken nach rechts und links.
    Vereinzelte Kuckucksrufe klingen jetzt leis und wie aus weiter Ferne her herüber, und siehe da, der kranke Poet unterbricht sich in seinem Figurenzeichnen und horcht auf. Aber wie die Seele gern wieder anknüpft an das, was ihr lieb geworden, so fällt er alsbald auch in altes Sinnen und Träumen zurück.
    Immer lachendere Bilder ziehen herauf. Es ist wieder ein Festzug, eine Prozession, aber diesmal auf heimischem Grund und Boden, und der Gefeierte ist er selbst. Ein Junitag ist's wie heute, nur um so viel heiterer und schöner, als die Augen damals heller in den Tag hineinsahen: denn neben ihm auf dem breiten Sitze des Wagens, auf dem er eben einfährt in die festgeschmückte, mit Laubgewinden überspannte Dorfgasse, sitzt seine heißgeliebte Braut, seit gestern sein Gemahl. Sie zählt nicht zu den leuchtenden Schönheiten, aber sie hat jenen blendenden Teint, der der Schönheit nahekommt. Ihre blühenden Wangen wurden rosiger von der Fahrt, und das rotblonde Scheitelhaar flattert halb aufgelöst im Winde. Bauern zu Pferd und mit bebändertem Hute folgen dem Zuge, Frauen im Sonntagsstaat stehn in den Türen oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten sie mitzureden bei solchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von draußen her den Zug und erzählen sich hoch oben von dem Glück, das sie drunten gesehn.
    Und ein volles Glück war es, das sie sahn, nicht spärlich zugemessen wie sonst wohl. Denn nicht über kurze Tage hin dehnte sich die Zeit der

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