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Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Flitterwochen, und Blumberg, wie es der tägliche Zeuge vollkommener Eintracht und innigsten Zusammenlebens wurde, wurd auch ein gefeierter Sitz edler Gastfreundschaft, ein Mittelpunkt geistigen Lebens, dichterischen Schaffens , wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war. Johann von Besser, Eusebius von Brandt waren oft und gern gesehene Gäste, und von hier aus ergingen an den vielbewährten Jugendfreund und Studiengenossen unsres Poeten, an den Kirchenrat Zapfe in Zeitz, oft wiederholte Einladungen, »das Harfenspiel aufs neu von der Wand zu nehmen und das Hoflager in Blumberg zu beziehen«. Briefe wurden mit einer gewissen Regelmäßigkeit gewechselt, und als die Schilderungen ehelichen Glücks, die Canitz regelmäßig mit einem »Nun gehe hin und tue desgleichen« zu schließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den ehrbaren Magister und Kirchenrat auch an den Altar geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief folgenden Inhalts nach Zeitz: »Deine Heirat und die Art derselben gefällt mir sehr wohl; weil Du mir aber Dein Sach ohne sonderliche Umstände schlechthin berichtet hast, so will auch ich Dir in Kürze nur, aber doch immer von Herzen, Glück und Vergnügen wünschen und daß Deine Liebste, wo nicht ein fruchtbarer Weinstock, so doch ein immergrüner Tannenbaum sei, dem es an Zapfen niemals fehlen möge.«
    So gingen die Tage. Ein volles Glück war es, ein Glück über Jahre hin und doch zu kurz für das beneidete Paar, das in seltnem Gleichklang zusammenstimmte. Der alte Neider Tod trat zwischen sie, mitleidslos und unerbittlich, und in Erinnerung an jene Tage schwindet ihm jetzt der heitre Traum, und trübe Bilder ziehen in seiner Seele herauf. An dem Lager einer Sterbenden kniet er. »O daß du bleiben könntest!« klingt es bittend von seinen Lippen; sie aber schüttelt den Kopf und spricht: »Du bist so oft von mir gegangen, nun geh ich von dir; sieh, ich schlafe schon.« Und danach entschlief sie wirklich, ohne Zucken und ohne Schmerz.
    Das einförmige Rufen des Kuckucks klang lauter und näher jetzt, und Canitz richtete sich auf, als woll er die Rufe zählen. Da schwieg der Kuckuck. Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippe; dann schritt er durch die Gänge des Parks in das Herrenhaus und seine Stille zurück.
    Das war am letzten Junisonntage 1699. Am 11. August desselben Jahres begegnen wir ihm noch einmal. Seine Kräfte waren schwächer geworden, und das heitere Poetenherz, das einst mit tausend Wünschen an das Leben gekettet war, es hatte nur noch einen Wunsch: zu sterben, wie die teure Heimgegangene vor ihm gestorben war. Und dieser letzte Wunsch ward ihm erfüllt. Am frühen Morgen des genannten Tages stand er auf, ließ sich völlig ankleiden und trat an das Fenster, das er öffnete, um frische Luft zu schöpfen. Die Sonne ging eben auf, und mit freudigem Staunen genoß er ihrer Pracht. Als er eine Weile hineingeblickt, rief er mit erhobener Stimme: »Wie schön ist heut der Himmel«, und sank, von einem Schlagfluß getroffen, tot zur Erde.
    So starb »Canitz, der Poet«. Schon am Tage darauf wurd er in der Marienkirche beigesetzt. Eine Woche später hielt ihm Spener in der Nikolaikirche die Gedächtnispredigt; den Inhalt seines Lebens aber stellen wir zu folgender Grabschrift zusammen:
    »Friedrich Rudolf von Canitz, Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht zu Brandenburg wohlbestallter Geheimerat und Staatsminister, geboren zu Berlin (nach anderen zu Lindenberg bei Berlin) den 27. November 1654, gestorben den 11. August 1699, im fünfundvierzigsten Jahre seines Alters. Was das Leben erhöht und verschont, das übte und pflegte er. Er liebte die Kunst und die Menschen; die Freundschaft hielt er hoch, die Treue am höchsten. Er war klug ohne Arg; ein männlicher Sinn, ein kindliches Herz. Er liebte die Welt, aber er empfand ihre Eitelkeit; Glaube und Sehnsucht wuchsen in seinem Herzen und trugen ihn aufwärts.« 1)
     
    Ich hab in vorstehendem den Menschen Canitz als eine liebenswürdige, fein und innerlich angelegte Natur zu schildern versucht; es bleibt noch die Frage übrig nach seiner politischen Bedeutung und nach seinem poetischen Wert. War er ein Staatsmann? war er ein Poet? Das erstere gewiß, das zweite kaum minder.
    Die Natur schien ihn für die diplomatische Laufbahn im voraus geschaffen zu haben, und die komplizierten Verwandtschaftsgrade, darin er stand (auch die Mutter seiner Frau war dreimal verheiratet gewesen), hatten von Jugend auf

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