Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
hinzuzufügen, und das Achselzucken, das unsere preußischen Diplomaten in vorbismarckschen Tagen oft hinnehmen mußten, hat in ganz anderen Dingen seinen Grund als in Mangel an Einsicht und staatsmännischer Bildung.
Canitz' Verdienste als Diplomat sind unbestritten, seine Verdienste als Poet so sagt ich schon, sind kaum geringer. Wer auf gut Glück hin und ohne den Vorsatz liebevolleren Eingehens den Band seiner Dichtungen aufschlägt und in einem, übrigens an Schönheiten keineswegs armen Gedichte folgende Anfangsstrophe findet:
Laß, mein beklemmtes Herz, der Regung nur den Zügel,
Begeuß mit einer Flut von Tränen diesen Hügel,
Weil ihn mein treuster Freund mit seinem Blut benetzt
Auf dieser Stelle sank der tapfre Dohna nieder,
Hier war sein Kampf und Fall, hier starrten seine Glieder,
Als ein verfluchtes Blei die teure Stirn verletzt,
Das, eh der Sonne Rad den andern Morgen brachte,
Ihn, leider, ach zu bald zu einer Leiche machte 3) –
wer, sag ich, solche und ähnliche Strophen findet, wird freilich zunächst den Kopf schütteln und seine Ungläubigkeit ausdrücken, daß es mit so zopfigen Alexandrinern irgend etwas auf sich habe. Und in gewissem Sinne mit Recht. Wir dürfen diese Dinge aber nicht mit einem Maßstabe messen, den wir dem gegenwärtigen Stande unserer Literatur entnehmen, sondern müssen uns vielmehr die Frage vorlegen: Was waren diese Gedichte in und zu ihrer Zeit? Und zu ihrer Zeit waren sie sehr viel . Wenn ihnen jetzt, wie das gelegentlich geschieht, mit herablassender Miene zugestanden wird, daß sie das Verdienst der gewählten Sprache, der Reinheit und Eleganz hätten, so genügt diese Anerkennung keineswegs; denn es ist das ein Zugeständnis, das so ziemlich allen modernen Dichtern gemacht werden kann, während unter diesen doch nur wenige sind, die für ihre Zeit das Maß von Bedeutung beanspruchen dürfen, das Canitz für die seinige besitzt. Er war einer von denen, denen die Aufgabe zufiel, uns erst eine Sprache und innerhalb derselben ein Gesetz zu geben. Dies Geschenk, diese Hinterlassenschaft ist nicht hoch genug zu schätzen. Wir stehen auf den Schultern derer, die damals tätig waren, und wenn Canitz auch nicht in die Reihe der epochemachenden literarischen Reformatoren jener Zeit gehört, die sich, wie namentlich Opitz, für die Gesamt entwicklung deutscher Sprache und Dichtung von nachhaltiger Bedeutung erwiesen haben, so war er doch wenigstens für unsre Mark das, was andre für weiter gezogene Kreise waren. Er zeigte zuerst, daß die Mark und die Musen nicht völlige Gegensätze seien.
Aber die Verdienste Canitz' sind keineswegs nur sprachlicher Natur; seine Gedichte haben auch ihren dichterischen Wert. Es ist wahr, daß er das Dichten zum Teil wie andre angenehme Unterhaltung trieb, und er selber nannt es in seinen Briefen »die Kurzweil des Reimens«, aber wir würden ihm doch sehr unrecht tun, wenn wir nach jenen zahlreichen Reimereien, wie sie bei Festspielen, den sogenannten »Wirtschaften«, damals Mode waren, den Wert seiner Dichtung überhaupt abschätzen wollten. Gewiß, er trieb das Dichten wie Tagewerk, aber er trieb es auch, und zwar im besten Sinne, wie man ein poetisches Tagebuch führt, darin er allem zu einem dichterischen Ausdruck verhalf, was der Lauf des Tages brachte. Der Tag brachte vieles, Großes und Kleines, Absonderliches und Alltägliches, und diesen Wechsel zeigen auch seine Dichtungen, aber sie sind einig in dem einen, daß sie, ob groß, ob klein, ein Erlebtes widerspiegeln; sie sind nicht Fiktion, sie sind wirklich, sie haben einen realen Inhalt; dieser Inhalt ist nicht immer poetisch, weder in sich noch in der Art, wie er sich gibt, aber es fehlt auch überall die Gefahr, sich ins Nichts zu verflüchtigen. Der alte Bodmer sagte von diesen Gedichten: »Canitz legete nichts Fremdes in dieselben, was nicht zuvor in seinem Sinn und Herzen gewesen wäre.« Das ist sehr richtig, und der Stempel des Echten, Wahrhaftigen, an sich selbst Erfahrenen, auch da noch, wo es sich um bloße Reflexionen handelt, hält schadlos für den fehlenden Hochflug, auch für einen gewissen Mangel an Kraft, Originalität und Tiefe, den wir nicht in Abrede stellen wollen.
Ein einziges Gedicht rührt von ihm her, das an Sprache, Form und namentlich auch an Innerlichkeit alles weit zurückläßt, was er außerdem geschrieben hat, und nicht nur einen relativen, sondern einen vollen und unbedingten poetischen Wert beanspruchen darf. Es ist dies das Gedicht »An Doris«
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