Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
während sie nach außen hin dem Ganzen zu einer Stattlichkeit verhelfen, die es bis dahin nicht besaß.
Wir treten nun ein und befinden uns auf dem niedrigen, aber ziemlich geräumigen Hausflur, der ganz im Charakter eines Atriums gehalten ist. Kurze dorische Säulen tragen Decke und Gebälke, eine einfach gemusterte Steinmosaik füllt den Fußboden, und Basreliefs aller Art und Größe schmücken zu beiden Seiten die Wand. Ziemlich in der Mitte des Atriums erhebt sich, auf einem Sockel oder Fußgestell, die eigentliche Sehenswürdigkeit desselben: eine antike, mit bacchischen Reliefs verzierte Brunnenmündung, die sich vormals in der Kirche St. Calisto in Trastevere zu Rom befand. Der Sage nach soll der heilige Calixtus in dieser marmornen Brunnenmündung ertränkt worden sein, weshalb das Wasser, das aus derselben geschöpft wurde, lange Zeit für wundertätig galt. Wilhelm von Humboldt, während seines langjährigen Aufenthalts in Rom, brachte dieses interessante Kuriosum käuflich an sich und schmückte dasselbe mit folgender lateinischer Inschrift: »Puteal, sacra bacchica exhibens, idem illud, in quo, ad martyrium patiendum, circa A. CCXXIII, S. Calistus immersus traditur, ex eiusdem S. Calisti aede Romana Transtiberina emptionis iure hue devectum.« (Also etwa: »Diese Brunnenmündung, einen Bacchuszug auf ihrer Außenseite darstellend, ist dieselbe, in welcher, einer Sage nach, der heilige Calixtus ertränkt wurde und das Martyrium erduldete, etwa 223 nach Christus. In der Kirche des heiligen Calixtus zu Trastevere bei Rom käuflich erstanden, wurde sie [die Brunnenmündung] hierher gebracht.«)
Zu beiden Seiten des Atriums befinden sich verschiedene Räumlichkeiten, die alle ohne Bedeutung sind, mit Ausnahme des nach rechts hin gelegenen Studierzimmers Wilhelms von Humboldt. Vieles darin erinnert noch an seinen ehemaligen Bewohner, der hier die reifsten seiner Arbeiten überdachte und niederschrieb. Hier entstanden, seiner Familie selbst ein Geheimnis und nach seinem Tode erst aufgefunden, jene Sonette, die Alexander von Humboldt gewiß mit Recht »die Selbstbiographie, die Charakteristik des teuren Bruders« genannt hat. Hier traten, in mitternächtiger Stunde, jene stillen Klagen und Bekenntnisse ans Licht, zu deren sorglicher Konzipierung und Gestaltung ihm die Arbeit des Tages keine Muße gegönnt hatte; hier schrieb er in Dankbarkeit gegen die Stille und Verschwiegenheit der Nacht:
Das Leben ist an Möglichkeit gebunden,
Und ihre Grenzen sind oft eng gezogen;
Der Freude Maß wird spärlich zugewogen,
Des Leidens Knäuel langsam abgewunden. Allein der Mitternacht geheime Stunden
Sind günstiger dem Sterblichen gewogen;
Wer um des Tages Glück sich fühlt betrogen,
Der heilt im süßen Traum des Wachens Wunden;
stille, durch poetische Innigkeit ausgezeichnete Bekenntnisse, an denen sich glücklicherweise die bescheidene Hoffnung des Dichters:
Vielleicht geschieht's, daß freundliches Gefallen
Vom Untergange kleine Anzahl rette,
und nicht die Resignation der zwei folgenden Zeilen erfüllt hat:
Sonst in des Zeitenstromes breitem Bette
Ist ihr natürlich Los, schnell zu verhallen.
In der Nähe der Fensterwand steht der Schreibtisch, kein elegantes Tischchen, sondern ein schwerer, massiver Bau aus Mahagoniholz, ersichtlich »ein Krieger für den Werkeltag«. Auf ihm, und zwar in der Mitte desselben, erhebt sich eine antike Doppelherme, rechts daneben ein Torso, links aber die berühmte, vom Maler Asmus Carstens herrührende Statuette einer Parze, die am Sockel die Namensinschrift des Künstlers und die Jahreszahl 1795 trägt. An der gegenüberliegenden Wand, so daß das Auge des Schreibers, sooft er aufblickte, darauf fallen mußte, befinden sich die Statuen der Kapitolinischen Venus und der Venus von Milo, zwischen beiden ein Panorama von Rom und die Konstantins-Schlacht, nach dem berühmten Raffaelischen Bilde. Die Gesamtheit der in diesem Zimmer vorhandenen Kunstschätze aufzählen zu wollen hieße den Leser ermüden; nur einer Kreidezeichnung Thorwaldsens, »Bacchus, welcher dem Amor zu trinken gibt«, sei noch, ihrer besonderen Lieblichkeit und Grazie halber, erwähnt.
Von den Bildern und Statuen hinweg treten wir jetzt an die Glas- und Bücherschränke heran, die ihrem Inhalte nach, wenigstens teilweise, der Humboldtschen Zeit angehören und uns somit Gelegenheit geben, einen Einblick in die privateren Studien, selbst in die Unterhaltungslektüre des
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