Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
beigetragen hatte, schuf
    auf einen Schlag die bis dahin rein kirchliche Feier in eine militärisch-patriotische Feier um. Und was damals Impromptu war, blieb. Das Möskefest ist ein
    Soldatenspiel geworden, das die Rheinsberger Ju-
    gend aufführt. Früh am Morgen schon ziehen vier
    Trommler durch die Straßen und schlagen Reveille,
    die jungen Soldaten sammeln sich, und so geht's mit
    Musik vor das Haus des »Generals«. Hier dreimaliges
    Vivat, dem General und seinen Angehörigen ausge-
    bracht, dann zieht alles, militärisch in Sektionen
    aufmarschiert, in den schönen Boberow-Wald hinaus,
    wo nun das Waldmeisterpflücken beginnt. Nachmit-
    tags kommen die jungen Mädchen und besuchen mit
    ihren Angehörigen die mittlerweile zu Turnen und
    Wettlauf übergegangenen Soldaten in ihrem Waldbi-
    vouac, Preise werden verteilt, Pfänderspiele gespielt,
    und spät am Abend erst erfolgt unter Trommelschlag
    und Liedersingen der allgemeine Rückmarsch in die
    Stadt.

    409
    Unser Frühstück war abgetan, und wir schickten uns
    nunmehr an, dem Schlosse, dessen gelbe Rückwän-
    de schon überall durch das Baum- und Strauchwerk
    hindurchschimmerten, unsern Besuch zu machen.
    Die vertrauliche Mitteilung beider Herren indes, »daß
    der alte Kastellan um diese Zeit seinen Mittagsschlaf
    zu halten pflege«, bewog uns, zuvor einen Umweg
    zu machen und erst noch in die alte Rheinsberger
    Kirche hineinzugehen.
    2. Die Rheinsberger Kirche
    Wir hatten bald guten Grund, uns bei dem Mittags-
    schlafe des alten Kastellans zu bedanken, denn sehr
    wahrscheinlich, daß wir ohne denselben an der
    Rheinsberger Kirche vorübergegangen wären. Und
    doch ist es ein alter und in mehr als einer Beziehung
    interessanter Bau. Die erste Anlage desselben datiert
    weit zurück, und erst 1568 war es, daß er durch A-
    chim von Bredow um zwei Drittel vergrößert wurde.
    Man kann den Anbau noch jetzt von dem älteren
    Teile deutlich unterscheiden.
    Diese Kirche ist der einzige Punkt in Rheinsberg, wo
    man auf Schritt und Tritt den Bildern zweier völlig
    entgegengesetzter Epochen, der Bredow- und der
    Prinz-Heinrich-Zeit, begegnet und diesen Gegensatz
    als solchen empfindet. In Schloß und Park stören die
    französischen Inschriften nicht, wohl aber hier in der Kirche, darin deutsche Kunst und deutsche Sprache
    längst vorher Hausrecht geübt hatten.

    410
    Wir treten durch einen Vorbau von der Seite her ein.
    Gleich dieser Vorbau, der sein spärliches Licht nur
    mittelst der offenstehenden Tür empfängt, zeichnet
    sich durch den angedeuteten Gegensatz aus. Zur
    Linken, fast ein Viertel des ganzen Raumes einneh-
    mend, erhebt sich hier ein grau getünchtes Monu-
    ment, das genau die Form eines aus Backstein auf-
    gemauerten Kachelofens hat. Es ist dies das Grab-
    mal, das Prinz Heinrich dem Andenken seines Violi-
    nisten Ludwig Christoph Pitschner, geboren
    5. März 1743, gestorben 3. Dezember 1765, errich-
    ten ließ, und trägt folgende Inschrift:
    Un prince, ami des arts, secondant mon génie –
    Déjà l'école d'Italie
    A l'Allemagne mon berceau
    Promet un Amphion nouveau:
    Mais comme j'avançois dans ma carrière illustre
    J'ai vu de mes beaux jours s'éteindre le flambeau
    Sans passer le milieu de mon cinquième lustre;
    Muses! pleurez sur mon tombeau.
    Also etwa in freier Übersetzung:
    Gepflegt, getragen durch fürstliche Gunst,
    Versprach ich, ausübend italische Kunst,
    Meiner Heimat zwischen Rhin und Rhein
    Demnächst ein neuer Amphion zu sein.
    Doch während ich leuchtend wuchs und stieg,
    Stieg die Sonne meines Lebens herab.

    411
    Dem Tode gehört der letzte Sieg,
    Und die Muse weint an meinem Grab.
    So reimte man damals in Rheinsberg. Dem
    Pitschnerschen Monument gegenüber aber stehen an
    der Wand entlang sechs aufgerichtete Grabsteine der
    Bredowschen Familie, drei Männlein und drei Fräu-
    lein, die bis vor kurzem im Schiff der Kirche lagen,
    und blicken ernst verwundert zu dem Kachelofen
    hinüber, an dem sie mit Mühe den Namen Pitschner
    entziffern. Zum Glück verstehen sie nicht Franzö-
    sisch, sie würden sonst noch ernsthafter dreinschau-
    en.
    Wir treten nun in die freundliche, vor kurzem erst
    restaurierte Kirche. Die Hauptsehenswürdigkeit der-
    selben ist das große, kunstvoll gearbeitete Grabmo-
    nument Achims von Bredow, desselben Achim von
    Bredow, der im Jahre 1568 die Kirche erneute und
    erweiterte. Es ist ein Denkmal von ganz ungewöhnli-
    chen Dimensionen, das bei wenigstens zehn Fuß
    Breite gewiß die doppelte

Weitere Kostenlose Bücher