Wanderungen durch die Mark Brandenburg
beigetragen hatte, schuf
auf einen Schlag die bis dahin rein kirchliche Feier in eine militärisch-patriotische Feier um. Und was damals Impromptu war, blieb. Das Möskefest ist ein
Soldatenspiel geworden, das die Rheinsberger Ju-
gend aufführt. Früh am Morgen schon ziehen vier
Trommler durch die Straßen und schlagen Reveille,
die jungen Soldaten sammeln sich, und so geht's mit
Musik vor das Haus des »Generals«. Hier dreimaliges
Vivat, dem General und seinen Angehörigen ausge-
bracht, dann zieht alles, militärisch in Sektionen
aufmarschiert, in den schönen Boberow-Wald hinaus,
wo nun das Waldmeisterpflücken beginnt. Nachmit-
tags kommen die jungen Mädchen und besuchen mit
ihren Angehörigen die mittlerweile zu Turnen und
Wettlauf übergegangenen Soldaten in ihrem Waldbi-
vouac, Preise werden verteilt, Pfänderspiele gespielt,
und spät am Abend erst erfolgt unter Trommelschlag
und Liedersingen der allgemeine Rückmarsch in die
Stadt.
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Unser Frühstück war abgetan, und wir schickten uns
nunmehr an, dem Schlosse, dessen gelbe Rückwän-
de schon überall durch das Baum- und Strauchwerk
hindurchschimmerten, unsern Besuch zu machen.
Die vertrauliche Mitteilung beider Herren indes, »daß
der alte Kastellan um diese Zeit seinen Mittagsschlaf
zu halten pflege«, bewog uns, zuvor einen Umweg
zu machen und erst noch in die alte Rheinsberger
Kirche hineinzugehen.
2. Die Rheinsberger Kirche
Wir hatten bald guten Grund, uns bei dem Mittags-
schlafe des alten Kastellans zu bedanken, denn sehr
wahrscheinlich, daß wir ohne denselben an der
Rheinsberger Kirche vorübergegangen wären. Und
doch ist es ein alter und in mehr als einer Beziehung
interessanter Bau. Die erste Anlage desselben datiert
weit zurück, und erst 1568 war es, daß er durch A-
chim von Bredow um zwei Drittel vergrößert wurde.
Man kann den Anbau noch jetzt von dem älteren
Teile deutlich unterscheiden.
Diese Kirche ist der einzige Punkt in Rheinsberg, wo
man auf Schritt und Tritt den Bildern zweier völlig
entgegengesetzter Epochen, der Bredow- und der
Prinz-Heinrich-Zeit, begegnet und diesen Gegensatz
als solchen empfindet. In Schloß und Park stören die
französischen Inschriften nicht, wohl aber hier in der Kirche, darin deutsche Kunst und deutsche Sprache
längst vorher Hausrecht geübt hatten.
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Wir treten durch einen Vorbau von der Seite her ein.
Gleich dieser Vorbau, der sein spärliches Licht nur
mittelst der offenstehenden Tür empfängt, zeichnet
sich durch den angedeuteten Gegensatz aus. Zur
Linken, fast ein Viertel des ganzen Raumes einneh-
mend, erhebt sich hier ein grau getünchtes Monu-
ment, das genau die Form eines aus Backstein auf-
gemauerten Kachelofens hat. Es ist dies das Grab-
mal, das Prinz Heinrich dem Andenken seines Violi-
nisten Ludwig Christoph Pitschner, geboren
5. März 1743, gestorben 3. Dezember 1765, errich-
ten ließ, und trägt folgende Inschrift:
Un prince, ami des arts, secondant mon génie –
Déjà l'école d'Italie
A l'Allemagne mon berceau
Promet un Amphion nouveau:
Mais comme j'avançois dans ma carrière illustre
J'ai vu de mes beaux jours s'éteindre le flambeau
Sans passer le milieu de mon cinquième lustre;
Muses! pleurez sur mon tombeau.
Also etwa in freier Übersetzung:
Gepflegt, getragen durch fürstliche Gunst,
Versprach ich, ausübend italische Kunst,
Meiner Heimat zwischen Rhin und Rhein
Demnächst ein neuer Amphion zu sein.
Doch während ich leuchtend wuchs und stieg,
Stieg die Sonne meines Lebens herab.
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Dem Tode gehört der letzte Sieg,
Und die Muse weint an meinem Grab.
So reimte man damals in Rheinsberg. Dem
Pitschnerschen Monument gegenüber aber stehen an
der Wand entlang sechs aufgerichtete Grabsteine der
Bredowschen Familie, drei Männlein und drei Fräu-
lein, die bis vor kurzem im Schiff der Kirche lagen,
und blicken ernst verwundert zu dem Kachelofen
hinüber, an dem sie mit Mühe den Namen Pitschner
entziffern. Zum Glück verstehen sie nicht Franzö-
sisch, sie würden sonst noch ernsthafter dreinschau-
en.
Wir treten nun in die freundliche, vor kurzem erst
restaurierte Kirche. Die Hauptsehenswürdigkeit der-
selben ist das große, kunstvoll gearbeitete Grabmo-
nument Achims von Bredow, desselben Achim von
Bredow, der im Jahre 1568 die Kirche erneute und
erweiterte. Es ist ein Denkmal von ganz ungewöhnli-
chen Dimensionen, das bei wenigstens zehn Fuß
Breite gewiß die doppelte
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