Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Reserven
waren zur Hand. So, den letzten Schuß im Lauf, wich
endlich drei Uhr nachmittags das zusammenge-
schmolzene Regiment auf Dorf Tronville zu zurück.
Ganze Compagnien waren führerlos. Wir hatten
54 Offiziere und 1200 Mann verloren.1)
Le Mans . Nicht so blutig verlief Le Mans. Aber die Strapazen, die dem endlichen Siege voraufgingen,
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zählen zu den größten, die dieser Krieg unsern Trup-
pen auferlegte. »Wie der ganze Tag«, so heißt es in
einem uns vorliegenden Briefe, »so wird uns auch
der Abend des 10. Januar unvergeßlich bleiben. Es
trat nämlich ein Schneefall ein, wie wir ihn in Frank-
reich noch nicht erlebt hatten. Die Flocken fielen so
groß und dicht, daß wir in wenigen Minuten Schnee-
männern ähnlich waren. Und so saßen wir denn an
demselben Wege, wo die erstarrenden Leichen vieler
gefallenen Feinde den tapferen Widerstand derselben
kundtaten, um mehrere Feuer geschart und gedach-
ten mit dankerfülltem Herzen unserer Lieben da-
heim, ein Gedanke, der in solcher Lage für den Sol-
daten der süßeste, der liebste ist. Um ungefähr elf
Uhr nachts brachte uns ein Marsch von einer guten
halben Stunde hungrig, müde und am ganzen Körper
fröstelnd in unsere Quartiere, die wir auf einigen er-
bärmlichen Fermen, auf Böden oder in den Ställen
bezogen, um am Morgen weiter gegen Le Mans vor-
zugehen.«
Dem Kriege folgten die »Tage der Okkupation«. Un-
ser Regiment gehörte jener aus vier Divisionen kom-
binierten Armee zu, die, bis zu völliger Zahlung der
Kriegsschuld, in Frankreich zu verbleiben hatte. Spe-
ziell die Standquartiere der Vierundzwanziger waren
Reims, Vitry-le-François, Étain, Verdun, von welch
letzterem Ort aus sie, nach Abmarsch aller andern
Truppenteile, mit den Vierundsechzigern als letzte
Staffel folgten.
Am 19. September 1873 zogen sie unter einem Ju-
bel, den selbst ein wolkenbruchartig herniederstür-
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zender Regen nicht hindern konnte, in ihre alte Gar-
nisonstadt Ruppin wieder ein.
1. Ausführlicheres über die Vierundzwanziger bei
Vionville und Le Mans gibt 1. das General-
stabswerk, 2. von der Goltz, »Kämpfe der
2. Armee vor Le Mans«, und 3. Woermann
und Becher, »Fortsetzung der Geschichte des
Infanterieregiments Nr. 24«.
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Rheinsberg
Rheinsberg
1. Die Kahlenberge. Französische
Kolonistendörfer.
Einfahrt in Rheinsberg. Der Rats-
keller.
Unter den Linden. Das Möskefest
Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen ist nicht
leicht. Die Eisenbahn zieht sich auf sechs Meilen Ent-
fernung daran vorüber, und nur eine geschickt zu
benutzende Verbindung von Hauderer und Fahrpost
führt schließlich an das ersehnte Ziel. Dies mag es
erklären, warum ein Punkt ziemlich unbesucht bleibt,
dessen Naturschönheiten nicht verächtlich und des-
sen historische Erinnerungen ersten Ranges sind.
Wir haben es besser, kommen von dem nur drei Mei-
len entfernten Ruppin und lassen uns durch die
Sandwüste nicht beirren, die, zunächst wenigstens,
hügelig und dünenartig vor uns liegt. Fragt man nach
dem Namen dieser Hügelzüge, so vernimmt man
immer wieder »die Kahlenberge«. Nur dann und
wann wird ein Dorf sichtbar, dessen ärmliche Stroh-
dächer von einem spitzen Schindelturm überragt
werden. Mitunter fehlt auch dieser. Einzelne dieser
Ortschaften (zum Beispiel Braunsberg) sind von
französischen Kolonisten bewohnt, die berufen wa-405
ren, ihre Loire-Heimat an dieser Stelle zu vergessen.
Harte Aufgabe. Als wir ebengenanntes Braunsberg
passierten, lugten wir aus dem Wagen heraus, um
»französische Köpfe zu studieren«, auf die wir ge-
rechnet. »Wie heißt der Schulze hier?« fragten wir in
halber Verlegenheit, weil wir nicht recht wußten, in
welcher Sprache wir sprechen sollten. »Borchardt.«
Und nun waren wir beruhigt. Auch die Südlichen-
Race-Gesichter sahen nicht anders aus als die
deutsch-wendische Mischung, die sonst hier heimisch
ist. Übrigens kommen in diesen Dörfern wirklich noch
französische Namen vor, und »unser Niquet« zum
Beispiel ist ein Braunsberger.
Die Wege, die man passiert, sind im großen und
ganzen so gut, wie Sandwege sein können. Nur an
manchen Stellen, wo die Feldsteine wie eine Aussaat
über den Weg gestreut liegen, schüttelt man be-
denklich den Kopf in Erinnerung an eine bekannte
Cahinetsordre, darin Friedrich der Große mit Rück-
sicht auf diesen Weg und im Ärger über 195 Taler,
22 Groschen, 8 Pfennig zu zahlende
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